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1913

1913

Titel: 1913 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Illies
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die Grundsteinlegung des neuen Zentrums der Anthroposophie, des Goetheanums in Dornach bei Basel. Er schreibt einen Zettel, der bei der Grundsteinlegung versenkt wird: »Gelegt von J. B. V. (Johannes-Bau-Verein) für die anthroposophische Arbeit, am 20 . Tage des September Monats 1880 n.d.M.v.G. (nach dem Mysterium von Golgatha) d.i. 1913 n.Ch.Geb.« Danach wird die Sternenkonstellation des Tages beschrieben: »Da Merkur als Abendstern in der Waage stand«. Merkur entspricht real dem Laut I und für das Sternzeichen Waage tritt das CH ein, so dass die Konstellation von Merkur in der Waage dem Wort ICH entspricht. Rudolf Steiner hat offensichtlich den Tag abgewartet, an dem diese kosmische Rune am Himmel stehen würde. Außerdem hat er jenen Tag wohl ausgewählt, weil an ihm Merkur der Abendstern ist. Der Merkur bildet eine Konjunktion mit der Sonne mit einer Differenz von 03 ° 26 ’ 45 . (Es half alles nichts, zehn Jahre später brennt das Goetheanum ab.)
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    Am 8 . September wird der 39 -jährige Karl Kraus, Herausgeber der »Fackel« und der scharfzüngigste Autor Wiens, im Café Imperial der 27 -jährigen Sidonie Baronin Nádherný von Borutin vorgestellt, der Vertrauten Rilkes. Und über den sprechen sie auch sofort. Sie reden immer weiter, fasziniert voneinander. Sie taumeln in die Nacht, sie fahren im Fiaker durch die Praterallee, oben leuchten die Sterne, und Karl sagt zu ihr: »Könnte man sein, wo Ihre Augen hinschauen.« Dann werden sie an die Bar irgendeines Hotels getrieben, sie erzählt ihm vom Tod ihres Bruders, der nun ihren Eltern gefolgt ist, von ihrer Depression, der seelischen Wüste, in der sie lebt. Und Karl Kraus, von Sidonies Schönheit überwältigt, ihrer Trauer übermannt, ergreift ihre Hand. Er will sie aus dieser Wüste führen. »Er erkennt mein Wesen«, denkt sie nach ihren Gespächen im nächtlichen Prater. Und sie lässt Kraus sogar Bobby streicheln, ihren Leonberger Hund, den sonst niemand berühren darf.
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    Am Odd Fellows’ Day hat Louis Armstrong, gerade 13  Jahre alt geworden, seinen ersten öffentlichen Auftritt als Jazzmusiker. Und zwar mit der Band der Besserungsanstalt, die sich auf der großen Trommel »Municipal Boys’ Home, Colored Dept.Brass Band« nennt. Stolz steht Armstrong neben der Trommel auf dem Bandfoto aus diesem Jahr, neben ihm sein erster Lehrer Peter Davis, der ihm im Januar das Instrument in die Hand gedrückt hatte. Und Armstrong trägt eine alte Polizeiuniform. Es war Tradition in New Orleans, dass die Polizisten ihre ausrangierten Jacken und Hosen den armen Jugendlichen weitergaben, damit sie sie als Orchesterkleidung nutzen konnten. Musizierend zieht die Band durch die Stadt, mit Begeisterung spielt Armstrong seine Trompete, er folgt den Melodien, gibt den Ton an. Am Abend dann, als die Band glücklich und erschöpft in die Anstalt zurückkehrt und alle anderen ihre Instrumente schon wieder im Musikraum abgegeben haben, nimmt sich Louis Armstrong noch einmal die Trompete, fragend blickt er seinen Lehrer an. »Na gut«, brummt Peter Davis, »ausnahmsweise.« Es ist warm in seinem Mehrbettzimmer, die anderen sind noch draußen und rauchen in der heißen Sommernacht, träumen von der Sportlehrerin, von Ferne wehen aus der Stadt die Klänge der Feiern des Odd Fellows’ Day herüber. Armstrong zieht die alte Polizistenuniform aus. Und während er allein auf seinem Bett sitzt und eine Fliege durch das Zimmer fliegt, versucht er ihren Flug mit seinen Tönen nachzuahmen, er folgt ihr nach, brummend, stoppend, brummend. Und als die Fliege den Weg aus dem Fenster hinausgefunden hat, da spielt er einfach weiter. Und hört nie wieder auf. Louis Armstrong wird zum größten Jazz-Trompeter der Geschichte.
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    Ein besonderer Fall von familiärer Fürsorge: Am 4 . September tötet Ernst August Wagner in Degerloch seine Frau und seine vier Kinder, weil er ihnen die Folgen seines geplanten Amoklaufs ersparen will. Dann fährt er mit dem Fahrrad nach Stuttgart. Dort steigt er in den Zug nach Mühlhausen, wo er, als die Nacht über die Stadt hereingebrochen ist, vier Häuser anzündet und wartet, bis die Menschen vor Rauch und Feuer nach draußen flüchten. Dann erschießt er die Flüchtenden mit seinem Gewehr, zwölf Menschen sterben, acht weitere werden schwer verletzt. Schließlich wird er von der Polizei überwältigt. Seine weiteren Pläne für die Nacht waren, seine Schwester und deren Familie umzubringen, dann nach Ludwigsburg zu fahren, um das Schloss

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