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1946 - Der Fünfte Bote

Titel: 1946 - Der Fünfte Bote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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andere von Belang erfahren. Entnehmt daraus, was ihr wollt!"
    Er beugte sich etwas vor. „Ach ja", fügte er hinzu. „Ich habe noch eine Bitte an euch, die ihr mir sofort erfüllen könntet. Würdet ihr mir etwas Sand bringen?"
    „Sand?" fragte Cistolo Khan verblüfft. „Einfach nur etwas Sand von eurer Welt."
     
    4.
     
    Kaleidoskop der Zugereisten II:
    Ein Kriegsherr der Gharrer am Morgen, Mittag und Abend.
    Knapp fünfzehntausend Jahre nach der Ankunft
     
    Morgen
    Ograkk nahm den Finger vom Abzug des Strahlengewehrs. Noch nicht, dachte er. Kalte Ammoniakschauer peitschten über seine Schuppen. Er kroch behutsam vorwärts. Unter seiner Brust knirschte Sand, und der weit vorstehende Felshang, auf dem er lag, schien bedrohlich zu schwanken. Die steile Schräge über ihm schien so heftig zu erzittern, dass sie jeden Augenblick einstürzen konnte. Nur eine Täuschung, beruhigte er sich. Er richtete die Waffe wieder auf das Ziel aus und blickte durch das Fernrohr. Auf der Hochebene unter ihm standen die Unterhändler der beiden Fraktionen einander gegenüber. Der eine starr, steif und stoisch, der andere ... aufgewühlt. Aufgeregt schritt er vor und zurück. Völlig untypisch für einen Gharrer.
    Geradezu unnatürlich. Ograkk aktivierte den Miniaturlautsprecher im Kragen seiner Kombination. Das Hochleistungs-Richtmikrofon übertrug die Worte der Fraktionschefs so deutlich, als stünden sie einen und keine tausend Meter vor ihm. Nun hatte er sein Opfer in der Zielerfassung, und wenn er das Gespräch verfolgte, konnte er des besseren Effekts halber in jenem Augenblick abdrücken, in dem der Freidenker eine besonders ketzerische Bemerkung fallen ließ. „Gharrer stehen sich im Streit gegenüber", sagte der Vertreter der Logiker. „So etwas hat es in der Geschichte unseres Volkes noch nie gegeben. Und auch nicht in der unserer Vorfahren. In den Wirren des Aufbaus gingen die meisten Dateien zwar verloren, aber wir wissen, dass unsere Ahnen verfolgt wurden und nur überlebten, weil sie den Geboten der Logik folgten und zusammenhielten."
    „Das Volk der Gharrer hat sich in den Jahrtausenden seiner eigenständigen Evolution von seinen Vorfahren psychisch und physisch entfernt", erwiderte der Freidenker. „Dieser Prozess hat begonnen, ist aber noch keineswegs abgeschlossen. Er lässt sich nicht aufhalten. Einige halten noch an der alten Ordnung der strengen Logik fest, andere akzeptieren die Gefühlswelt, die sich ihnen allmählich eröffnet, als Bereicherung ihres Daseins. Ich verstehe nicht, wieso nicht beide Auffassungen gleichberechtigt nebeneinander existieren können."
    „Du hörst mir nicht zu!" sagte der Logiker. „Nur die Vernunft gewährt das Überleben."
    „War die Entscheidung vernünftig, die Wlatschiden nicht auszumerzen, als die Schlachtreihen schon formiert waren?"
    Der Logiker zögerte. Eine typische Fangfrage, eine der klassischen im Repertoire der Freidenker. Natürlich war sie logisch gewesen; in der Rückschau gab es keinen Zweifel daran. Aber damals, am Morgen der Schlacht ... „Seid wie Sand, hat Nisaaru gesagt, und wir haben diesen Rat befolgt und sind nun akzeptiert unter den Völkern unserer neuen Heimat. Nur deshalb ..."
    „Nisaaru!" rief der Logiker. „Ein Phantom, ein Hirngespinst, eine unbestätigte Kollektivillusion der Fehlgeleiteten!" Ograkks Finger krümmte sich um den Abzug, doch dann zögerte er. Täuschte er sich, oder klang die Stimme des Vertreters der Logiker höhnisch, provozierend ... unlogisch?
    Aber erließ den Finger, wo er war. Nisaaru ... das war das Stichwort. Nun war die ideale Gelegenheit gekommen, den Abspalter zu beseitigen, die Einheit der Gharrer auf Dauer zu gewährleisten, der strengen Logik zum Sieg zu verhelfen. Wenn der Ketzer in dem Augenblick starb, in dem er den Namen all dessen ausgesprochen hatte, was für die Spaltung verantwortlich war... „Vielleicht ist Nisaaru sogar für diesen Evolutionsschub verantwortlich, den wir gerade durchleben", sagte der Freidenker, als könne er Ograkks Gedanken lesen. „Vielleicht hat Nisaaru durch ihren Einfluss uns neben der Vernunft die Gefühle geschenkt ..." Jetzt! Der Attentäter zog den gekrümmten Finger zurück, als er aus den Augenwinkeln sah, wie sich am Hang über ihm ein Felsbrocken löste. Er rollte herab und wirbelte Sand auf. Sand...
    Der Sand schien in der Luft zu schweben, zu pulsieren, sich zusammenzuziehen und wieder auszudehnen. Dabei veränderte er permanent seine Form, bis er schließlich

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