1956 - Das Haus der Nisaaru
Garron." Prompt meldete sich Darla Markus von der Krankenstation. „Mhogena, könntest du bitte hierher kommen?"
Allmählich schien der Gharrer wirklich soweit zu sein, seine sanfte Ruhe zu verlieren. Er bewegte seine knochenlosen, muskulösen Arme ungewöhnlich heftig, während er auf kurzen, kräftigen Beinen aus der Zentrale halb stampfte, halb hinkte. Seine drei braunen Augen blickten melancholischer denn je; dem starren, gelblichen vierten Auge waren wie stets keinerlei Emotionen abzulesen. „Das ist kein guter Ort hier!" beschwerte sich Vincent Garron, kaum, dass er den Gharrer erblickte. „Wann fliegen wir endlich heim?" Heim?" wiederholte Tuyula verdutzt, die weiterhin unentwegt Wache hielt. „Weshalb sagst du das dauernd? Wir kehren auf keinen Fall so schnell in die Milchstraße zurück!"
„Das meine ich doch nicht!" rief der Mutant. „Ich will zum Sonnentresor! Dort ist meine wahre und einzige Heimat, dort will ich hin ..."
„Aber nicht sofort!" unterbrach Mhogena. „Meine Mission ist noch nicht beendet. Ich muss dich um Geduld bitten, Vincent."
„Das hier ist ein schlechter Ort! Er ist mir körperlich unangenehm, und ich habe Kopfschmerzen! Er bedrückt mich!" beschwerte sich Garron. „Sobald wir die nächsten Koordinaten haben, fliegen wir weiter", versprach Mhogena. „Bis dahin musst du durchhalten, worum ich dich herzlich bitte."
„Mal abgesehen davon, dass du es dir mit Mhogena nicht verscherzen solltest", konnte sich Darla eines giftigen Kommentars nicht enthalten, „immerhin ist er der einzige, der dir die Rückkehr nach Hause ermöglichen kann! Falls er sich gegen alle anderen durchsetzen wird!"
„Bitte, dann lasst mich wenigstens aus diesem Tank heraus", flehte Garron. „Ich muss mich bewegen, sonst werde ich verrückt."
„Ausgeschlossen", lehnte die Medikerin streng ab. „Dein Körper braucht Schonung. Du bist noch lange nicht überm Berg, auch wenn du dich so fühlen magst."
„Vincent!" zirpte Tuyula. schrill. „Du übertreibst alles!" Der Mutant verstummte und verzog sein Gesicht. Vielleicht wollte er eine Leidensmiene aufsetzen, was ihm jedoch auf Grund der starken Veränderungen nicht mehr gelang. Erneut rannen ihm Tränen über die Wangen. „Ich fühle mein Gesicht nicht mehr", klagte er leise. „Deswegen will ich hier raus, um festzustellen, was überhaupt noch von mir übrig ist. Alles ist wie Watte um mich, ich schwimme in einem Meer von Watte und fühle mich gelähmt ..."
„Mit deinem Zentralen Nervensystem ist alles in Ordnung", sagte Darla. „Wenn es dich beruhigt, können wir einige motorische Übungen durchführen, das geht auch in dem Tank. Und gegen die Kopfschmerzen kann ich dir etwas geben."
Garron drehte den Kopf von einer Seite auf die andere. „Das denke ich nicht, denn sie kommen von dem, was ich hören kann", klagte er. „Ich kann es nicht erklären, es ist so fremd ... auch das, was ich sehe ... es beunruhigt mich. Es macht mir angst. Es ist nicht gut, hier zu sein, so glaubt mir doch!"
Mhogena stieß einen scharfen „Ch"-Laut aus. „Ich kann es nicht ändern, Vincent. Du musst es noch eine Weile ertragen. Und ich muss jetzt in die Zentrale zurückkehren." Darla Markus sah dem Fünften Boten hinterher. „Ich glaube, das nächste Mal rufen wir ihn besser nicht", sagte sie zu der Blue. „Er wirkt ziemlich überreizt."
„Das ist auch kein Wunder, meinst du nicht?" Tuyula wirkte ruhig und ausgeglichen. Zum ersten Mal seit längerer Zeit hatte sie eine Ruhepause. Vincent befand sich nicht in Lebensgefahr, und es gab nichts für sie zu tun. Sie konnte sich daran gewöhnen, bald eine erwachsene Blue zu sein und über ihr künftiges Leben nachdenken.
Das Schicksal der Galaxis Chearth beschäftigte sie nur am Rande, sie fühlte sich den bedrohten Völkern emotional nicht verbunden. Sie empfand sich als Gast, als Beobachter. Darla Markus schien es nicht anders zu gehen, denn sie kümmerte sich nur um ihre Forschung. Sie zeigte keine Ungeduld, noch machte sie sich Gedanken über das weitere Vorgehen. Sie konzentrierte sich ausschließlich auf das Wohlergehen ihres Patienten, das ihr den weiteren beruflichen Weg ebnen würde. „Ist es verwerflich?" fragte sich Tuyula. Dem Bluesmädchen wurde gar nicht recht bewusst, dass sie soeben laut gesprochen hatte. Sie drehte den Diskuskopf, als sie Darlas Augen auf sich gerichtet fühlte. .„Nein" ,antwortete die Medikerin sofort. „Woher weißt du, was ich damit meine?" wunderte sich die Blue.
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