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1974

1974

Titel: 1974
Autoren: David Peace
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fragte ich.
    »Sie hätten meine Tochter finden können, Sie dummes, herzloses, beschissenes Arschloch!« Sie zitterte am ganzen Körper und schloß die Augen.
    Mein Mund war ganz trocken und ich stand auf. »Es tut mir leid, ich wollte nicht …«
    »Raus!«
    »Es tut mir leid.«
    Mrs. Garland schlug die Augen auf und sah zu mir auf. »Es tut Ihnen nicht leid. Wenn Sie dazu in der Lage wären, daß Ihnen etwas leid täte, dann wären Sie nicht hier.«
    Ich stand mitten in ihrem Wohnzimmer, meine Schienbeine waren zwischen Sofatisch und Sessel eingeklemmt, und plötzlich mußte ich an meine eigene Mutter denken, und ich wollte hinübergehen und die Mutter vor mir in die Arme nehmen. Ich versuchte ungeschickt über den Tisch und die Teekanne zu steigen, wußte nicht, was ich sagen sollte, und bekam nur ein: »Bitte …« heraus.
    Mrs. Paula Garland erhob sich, baute sich vor mir auf, riß die blaßblauen Augen voller Tränen und Haß auf und stieß mich gegen die rote Tür. »Ihr beschissenen Schmierfinken. Ihr kommt in mein Haus und redet über Dinge, von denen ihr keine Ahnung habt, so als ob ihr übers Wetter redet oder über irgendeinen scheiß Krieg irgendwo.« Sie weinte bitterlich, während sie sich mühte, die Haustür zu öffnen.
    Mein Gesicht brannte wie Feuer, und ich trat rückwärts auf die Straße.
    »Mir ist das zugestoßen!« schrie sie und schlug mir die Tür vor der Nase zu.
    Ich stand auf der Straße vor der roten Tür und wünschte mir, sonstwo auf der Welt zu sein, nur nicht gerade in der Brunt Street, Castleford.
     
    »Und, wie ist es gelaufen?«
    »Ach, Scheiße.« Ich hatte eine Stunde und drei Pints lang vor mich hingebrütet, bis Barry Gannon endlich auftauchte. Es war kurz vor der mittäglichen Sperrstunde, und der Großteil der Gast hatte sich bereits zum heimischen Sonntagsmahl verdünnisiert.
    Barry setzte sich mit einem Pint zu mir und nahm sich eine Zigarette aus meiner Schachtel. »Und, hast du Johnny unterm Bett gefunden?«
    Ich war nicht in der Stimmung für solchen Scheiß. »Was?«
    Barry sprach extra langsam: »Johnny Kelly. Die große weiße Hoffnung.«
    »Was ist mit ihm?« Ich war kurz davor, ihm den Schädel einzuschlagen.
    »Himmelherrgott noch mal, Eddie.«
    Die Pokale, die Trophäen, Scheiße. »Er ist mit den Garlands verwandt?«
    »Und schon wieder ein Hauptgewinn. Paula Garlands verdammter Bruder. Wohnt dort, seit ihr Mann tot ist und diesesMannequin ihn verlassen hat.«
    Mein Gesicht glühte schon wieder, mir kochte das Blut. »Der Mann ist tot?«
    »Scheiße, Dunford. Solche Sachen mußt du einfach vorher wissen.«
    »Scheiße.«
    »Hat das mit Jeanette nie verkraftet. Hat vor zwei, drei Jahren ‘ne Schrotpatrone verspeist.«
    »Und das hast du gewußt? Warum zum Teufel hast du nichts davon gesagt?«
    »Selber Arschloch. Mach’ deinen scheiß Job allein oder frag.«
    Barry nahm einen langen Schluck aus seinem Glas, um sein fettes Grinsen dahinter zu verbergen.
    »Also gut, jetzt frag ich.«
    »Der Mann hat sich etwa zu der Zeit weggepustet, als Johnny anfing, sich einen Namen zu machen, auf dem Spielfeld und außerhalb.«
    »Ein Weiberheld?«
    »Genau. Hat Miss Westonsuper-Mare von 1971 geheiratet oder so was. Hat nicht lang gehalten. Als sie ihre Klamotten packte und ihn verließ, ist er zur großen Schwester gezogen.«
    »Der George Best der Rugby League?«
    »Hast da unten im Süden nicht viel davon mitgekriegt, hm?«
    Bei dem Versuch, ein wenig von meinem Stolz zu retten, sagte ich: »War nicht gerade in den Schlagzeilen, nein.«
    »Nun, hier schon, und das hättest du verdammt noch mal wissen müssen.«
    Ich zündete mir eine Zigarette an, haßte ihn dafür, es mir so reinzuwürgen, und haßte ihn für das dazugehörige Grinsen auf seiner Visage.
    Scheiß auf Stolz und Untergang. »Und Paul Kelly in der Arbeit ist wer?«
    »Ein Cousin oder so was. Frag ihn selbst.«
    Ich schluckte und schwor mir, dies war das letzte Mal. »Und Kelly ist heute beim Spiel nicht aufgetaucht?«
    »Weiß nicht. Das wirst du wohl selber rausfinden müssen, oder?«
    »Ja«, murmelte ich und dachte, bitte, lieber Gott, laß meine Augen nicht überfließen.
    Eine Stimme sagte dröhnend: »Zeit, meine Herren.«
    Wir leerten unsere Gläser.
    »Wie ist es bei Mrs. Dawson gelaufen?« fragte ich.
    »Sie meinte, mein Leben sei in Gefahr«, sagte Barry lächelnd und stand auf.
    »Machst du Witze? Warum?«
    »Warum nicht? Ich weiß zuviel.«
    Wir gingen beide durch die Doppeltür hinaus auf den
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