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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Wohnung seiner Mutter in Blackpool kam. Sie haben ihm mit einem Handtuch die Hände hinterm Rücken verbunden und ihn mit fünf Metern Klebeband eingewickelt, von den Schultern bis zur Hüfte. Dann stopften sie ihn in den Kofferraum seines Wagens und fuhren in die Yorkshire Moors hinaus. Bei Sonnenuntergang hielten ihn drei Männer fest, und ein vierter stach ihm mit einem Messer fünfmal ins Herz.«
    Ich sah in mein Whiskyglas, und der Raum begann sich zu drehen.
    »Das war mein Bruder. Er war gerade mal einen Tag zu Hause gewesen.«
    »Tut mir leid.«
    »Nach der Beerdigung bekam ich eine Karte. Kein Name, da stand nur: Drei können ein Geheimnis bewahren, wenn zwei davon tot sind.«
    »Ich will davon nichts wissen«, sagte ich leise.
    Box nickte zu Paul hinüber, der an der Bar saß, und sagte laut:
    »Wir haben Sie wohl überschätzt, Mr. Dunford.«
    »Ich bin nur ein Reporter.«
    Paul näherte sich von hinten und legte mir eine schwere Pranke auf die Schulter.
    »Dann sollten Sie tun, was man Ihnen sagt, Mr. Dunford, und Sie kriegen Ihre Story. Überlassen Sie alles weitere uns.«
    »Ich will davon nichts wissen«, wiederholte ich.
    Box ließ seine Finger knacken und lächelte. »Dumm gelaufen. Sie stecken schon mittendrin.«
    Paul packte mich beim Kragen.
    »Und nun verpiß dich!«
     
    Auf der Flucht.
    Wieder nach Westgate.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße.
    Barry und Clare.
    Kleine tote Clare Kemplay, ein Kuß, schon war’s mit mir vorbei.
    Clare und Barry.
    Dirty Barry, als er gut war, war er sehr, sehr gut, und als er schlecht war, war er sehr, sehr schlecht.
    Ein Polizist stand zum Schutz vor dem Regen in einem Hauseingang. Ich verspürte den Drang, mich vor ihm auf die Knie zu werfen, inständig hoffend, daß er einer von den Guten war, und ihm die ganze traurige Geschichte zu erzählen, nur um endlich nicht mehr im Regen zu stehen.
    Aber was sollte ich ihm sagen?
    Daß ich bis über beide Ohren drinsteckte, schlammbedeckt und sternhagelvoll war.
     
    Schnurstracks nach Leeds; unterwegs trocknete der Lehm an mir.
    Schnurstracks und schmutzverkrustet in die Redaktion.
    Mit sauberem Gesicht und einer sauberen Hand, mit dreckigem Anzug und einem schwarzen Verband setzte ich mich am Freitag, dem 20. Dezember 1974, um 15.00 Uhr an den Schreibtisch.
    »Netter Anzug, Eddieboy.«
    »Ach, hau ab, George.«
    »Und dir auch ein schönes Weihnachtsfest.«
    Der Schreibtisch war übersät mit Nachrichten und Karten; Sergeant Fraser hatte am Morgen zweimal angerufen, Bill Hadden wollte mich umgehend sprechen.
    Ich ließ mich in meinen Stuhl zurücksinken, George Greaves furzte, die paar, die schon vom Mittagessen zurück waren, applaudierten.
    Ich lächelte und nahm die Karten in die Hand; drei aus dem Süden, dazu eine mit meinem Namen und der Redaktionsanschrift in blaues Dymoband gestanzt und auf den Umschlag geklebt.
    Auf der anderen Seite des Redaktionsraums nahm Gaz Wetten zum Spiel Newcastle gegen Leeds an.
    Ich öffnete den Umschlag und zog die Karte mit meinen Zähnen und der linken Hand heraus.
    »Willst du mitmachen, Eddie?« rief Gaz.
    Auf der Vorderseite der Karte war eine Blockhütte in einem schneebedeckten Wald abgebildet.
    »Zehn Pfund auf Lorimer«, sagte ich und schlug die Karte auf.
    »Den hat Jack schon.«
    In der Karte klebten über den Weihnachtsgrüßen zwei weitere Streifen Dymoband.
    »Na, dann nehm’ ich eben Yorath«, sagte ich leise.
    Auf dem oberen Streifen stand: KLOPF , KLOPF …
    »Wer?«
    Auf dem unteren: APP . 405, CITY HEIGHTS .
    »Yorath«, rief ich und starrte die Karte an.
    »Jemand, den ich kenne?«
    Ich sah auf.
    »Ich hoffe doch, die ist von einer Frau«, sagte Jack Whitehead.
    »Was soll das heißen?«
    »Ich hab gehört, daß du mit kleinen Jungs rumhängst«, sagte Jack lächelnd.
    Ich schob die Karte in die Jackentasche. »Ach ja?«
    »Ja. Mit orangefarbenen Haaren.«
    »Von wem hast du das, Jack?«
    »Hat mir ein kleines Vögelchen erzählt.«
    »Du stinkst nach Alk.«
    »Du auch.«
    »Ist Weihnachten.«
    »Nicht mehr lange«, meinte Jack grinsend. »Der Chef will dich sehen.«
    »Ich weiß«, sagte ich und rührte mich nicht vom Fleck.
    »Er hat mich gebeten, dich zu suchen und sicherzustellen, daß du nicht wieder verlorengehst.«
    »Willst du Händchen halten?«
    »Du bist nicht mein Typ.«
     
    »Blödsinn.«
    »Ach, halt die Schnauze, Jack, und hör zu.«
    Ich drückte wieder auf Start:
    »Ich konnte nicht glauben, daß sie es war. Sie sah so anders aus, so

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