1975 - Sonnenecho
Tekeners befehlende Stimme im letzten Moment. „Wir schicken dir den Avatara."
Arnulf Rohmer empfand unsägliche Erleichterung, als er diese Worte hörte und sah, wie der Strahler aus Tuyulas Mund glitt. Er hätte sich vor Entsetzen fast in die Hose gemacht.
„Du hast vorerst gewonnen, Soboth", fuhr Ronald Tekener fort. „Aber bist du sicher, daß Tuyula und Vincent damit einverstanden sind?"
Was soll denn dieser Nachsatz schon wieder bedeuten? fragte sich Arnulf Rohmer verunsichert.
Tuyula Azyk konnte die letzten Worte von Ronald Tekener genau hören. Es war ein deutlicher Appell zum Widerstand, zur Rebellion gegen Soboths Diktat. An sie und Vince.
Aber ihr Bewußtsein war nicht stark genug, sich Soboth zu widersetzen. Er schien zu diesem Zeitpunkt übermächtig. Sie hatte nicht einmal die Kraft besessen, Soboth zu zwingen, die Waffe aus ihrem Mund zu nehmen.
Was für ein Alptraum!
Einmal hatte sie geglaubt, daß alles in Ordnung käme, als Vincent für einen Moment die Oberhand über ihren Körper bekommen und verhindert hatte, daß Soboth den Avatara tötete. Aber das war nur ein kurzes Aufflackern gewesen, Soboth hatte gleich darauf wieder dominiert.
Nun war Vincent wieder in die Tiefen seines Unterbewußtseins verdrängt worden.
Sie hatte ihn mit ihrem Geist gerufen, versucht, ihn zu wecken und gegen Soboth zu mobilisieren. Aber sie hatte von ihm die ganze Zeit über nur verschwommene Eindrücke bekommen.
Es war, als hinge er schönen Träumen nach, die ihn in ein Reich der bunten Farbenvielfalt entführten. In die Welt der Guan a Var, die im Hyperraum angesiedelt war, wo Vincents Farbenblindheit aufgehoben war und er das gesamte Farbspektrum auskosten konnte.
Die Welt des Regenbogens - sein Elysium, das ihm unglaubliche Wonnen bescherte, ihn gleichzeitig aber auch auslaugte, an seinen Lebenskräften zehrte. In dieser Phase war nur Soboth wach und rege, denn er konnte an Vincents Erlebnissen nicht teilhaben. Denn die Soboth-Persönlichkeit war der Farbenkiller, Vincents destruktives Ich.
Vincents kurzes Aufbäumen wiederholte sich nicht wieder. Er sank danach wieder zurück in seine Traumwelt und drohte für immer darin zu versinken.
Vince, wach auf! Du darfst Soboth nicht das Kommando überlassen. Er wird alles zerstören.
Tuyula war, als höre sie eine schwaehe Reaktion auf ihre Gedanken, und sie schöpfte neue Hoffnung und wiederholte ihren Aufruf immer wieder während Soboth sein schreckliches Kommando über ihren Körper führte.
Sie vernahm Vincents verträumte Gedanken. Er wollte nicht fort aus seinem Elysium, er wollte nicht mehr in die düstere Welt aus Schwarzweiß zurück.
Aber Tuyula gab nicht auf. Sie versuchte, ihm die Schrecken zu vermitteln, die Soboth in ihrem Körper anrichten konnte. Ja, sie mußte sogar so weit gehen, Vincent ihren möglichen Tod vor Augen zu führen.
Das wird Soboth nicht wagen! behauptete Vince; er wollte - konnte - die Wirklichkeit noch nicht wahrhaben, aber wenigstens zeigte er eine problembezogene Reaktion. Er hat wie ich eine starke Affinität zu dir.
Ihm ist ein Körper so recht wie der andere! behauptete Tuyula. Als sie merkte, daß Soboth seine Drohung, ihren Körper zu vernichten, endgültig wahrmachen wollte, appellierte sie eindringlich: Wach auf, Vince! Du mußt Soboth Einhalt gebieten!
Und dann lenkte Ronald Tekener ein: „Du hast vorerst gewonnen, Soboth." Und er fügte eindringlich hinzu: „Aber bist du sicher, daß Tuyula und Vincent damit einverstanden sind?"
Vincent vernahm diese Worte so deutlich wie Tuyula. Er tauchte auf aus der Welt der Farben, versuchte sich in der monochromen Realität zu orientieren.
Aber Soboth wollte ihm diese Einblicke nicht gewähren, er versuchte Vincent zurückzudrängen und die Herrschaft über Tuyulas Körper zu behalten.
Es entspann sich ein unheimlicher, lautloser Kampf auf geistiger Ebene. Und je stärker sich Soboth gegen Vincent zur Wehr setzte, desto größer wurde Vincents Gegenwehr. Für Tuyula stellte es sich so dar, daß Vincent einerseits resignierte, weil er nicht den erhofften Frieden in seinem Elysium fand. Andererseits mobilisierte Soboths Widerstand seine schlummernden Kräfte.
Das Ringen um Tuyulas Körper ging weiter. Und Vincent wurde von Tuyula in seinen Bestrebungen mit all ihrer Willenskraft unterstützt. Es war nun ein Dreikampf, zwei gegen einen.
Eine regelrechte Psycho-Schlacht der Triple-Persönlichkeit um den zerbrechlichen Körper eines Bluesmädchens.
Tuyula
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