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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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mal eben und zeichne und lege nachher den Zettel mit ein.
So, da hast Du den Plan! Das Rotschraffierte ist der Stolleneingang. Ich selbst bin übrigens einmal unten gewesen. Wie es dazu kam, ist eine lange Geschichte. Es würde zu weit führen, sie Dir jetzt aufzuschreiben. Noch einmal, Klaus. Ich möchte nicht, daß Du Dich auf den Weg machst, um nach mir zu suchen. Es genügt, wenn einer von uns beiden mit seinem Leben leichtfertig umgeht. Aber ich will’s nicht zu schwarz malen. Ich schätze die Chance, über die Mauer nach unten zu kommen, auf etwa dreißig Prozent, und das ist für jemanden, der eingekreist ist, eine ganze Menge. Es fängt an zu dunkeln. Dieses Turmzimmer bringt mir zwar ziemlich viele Unannehmlichkeiten ein, aber ich muß auch zugeben, daß es einen herrlichen Ausblick auf Stadt und Hafen hat. Beide legen gerade ihre Abendgarderobe an, diese glitzernden Gewänder, die auf der ganzen Welt, wenn es dunkelt, den Anblick der Städte so schön machen.
Ich sehe hinunter in das Stadtviertel Sa Penya, das mich ein bißchen an die Altstadt von Malaga erinnert und in dem ein bunt gemischtes Völkchen wohnt. Kneipenwirte, Fischer, Schriftsteller, Maler. Und die Hippies, die allerdings nicht mehr so ganz echt sind. Sie geben sich zwar noch bunt und bärtig und naturbeflissen, und hin und wieder weht ein Duft von Marihuana über ihre Verkaufsstände hin, aber nicht wenige von ihnen sind über vierzig und dem Kommerz verfallen und haben außer dem Bart auch schon den Bauch.
Ich sehe, wie die kleinen Gassen sich jetzt zu füllen beginnen, möchte da hinunter, würde mit jedem da unten tauschen, würde überhaupt, wenn ich jetzt noch einmal die Chance hätte, meinen Job überdenken, vor allem die Frage prüfen, ob es sich lohnt, aus Neugier und Mitteilungssucht solche Risiken einzugehen, wie ich jetzt eines am Hals habe. Darum ein drittes Mal, Klaus. Laß Du die Finger davon!
Gleich wird es ganz dunkel geworden sein, und dann mache ich mich auf den Weg, falte erst noch die drei dünnen Bogen, lege sie und die Skizze ins Buch und klebe es zu, stecke den Klebstift zusammen mit meinen diversen Schreibstiften ins Etui, damit sie bloß nicht auf den Gedanken kommen, ich hätte ihn gerade erst benutzt. Schon ein solcher Verdacht könnte sie dazu bewegen, jedes Buch aufzuschneiden. Überhaupt. Sie sind höllisch auf Draht. Sag Naumann, er dürfe sie nicht unterschätzen.
Sie sind intelligent und voller Energie, aber sie sind eben auch auf eine gefährliche Weise sentimental, jedenfalls die Alten unter ihnen. Sie trauern den Zeiten nach, in denen Deutschland den Ton angab, und können nicht verwinden, daß es heute anders ist.
Ich hoffe, daß mein Brief Dich erreicht. Ich bin fast sicher, wenn das Buch in Deine Hände kommt, findest Du ihn. Mach’s gut. Bleib bei Deinen Schiffen! Sie sind zwar manchmal auch ein bißchen gefährlich, aber auf eine sympathischere und überschaubarere Art als meine Reportagen. Sollte es nachher schiefgehen, bitte ich Dich, Mutter ganz innig zu grüßen und ihr beizustehen. Mein Gott, auch das schreibe ich so hin, als ginge es ums Wetter oder um Weihnachten, und dabei tut’s verdammt weh. Vielleicht solltest Du, wenn mir etwas passiert, doch nicht bei den Schiffen bleiben, sonst hat sie außer dem verschollenen nur noch einen Sohn, der ständig in der Welt herumreist und nur selten mal nach Hause kommt. Ich umarme Dich. Dein Victor.«
    Klaus Hemmerich steckte den Brief und die Skizze in die Tasche seines Bademantels. Das Buch stellte er zwischen die anderen Bücher ins Regal, damit die Mutter nicht darin blätterte. Dann setzte er sich an Victors Schreibtisch.
    Im Augenblick interessierte ihn kein einziges der in dem Brief aufgeführten technischen Details, wie er auch zunächst mit keinem Gedanken den gewichtigen Hintergrundinformationen nachhing. Jetzt bewegte ihn nur das eine. Die geplante Flucht durchs Fenster war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mißglückt, denn seit der Niederschrift dieser alarmierenden Botschaft waren sieben Wochen vergangen, und statt daß Victor selbst sich gemeldet hatte, war nur sein mysteriöses Lebenszeichen gekommen, der Brief an die Mutter, der, wie nun feststand, fingiert war. Wenn sie aber schon auf die Idee verfielen, ihm Wandlung und Weggang anzudichten, und sich die Mühe machten, einen Abschiedsbrief zu schreiben und wohldurchdachte Erkennungsmerkmale in ihn einzuflechten, dann konnte das

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