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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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exakt durchgeführt worden. Er ging – Klaus Hemmerich entsann sich genau – damals groß aufgemacht durch die Medien. Und etwas anderes fiel ihm wieder ein, die bei Freunden, Bekannten, Kollegen und zufälligen Gesprächspartnern beoachtete Reaktion. So manchem Deutschen flößte der Vorfall Respekt ein. Er ließ Erinnerungen Wachwerden an Bravourstücke des Zweiten Weltkrieges wie etwa die unter der Leitung des SS-Sturmbannführers Skorzeny durchgeführte Befreiung des Duce aus seinem Gefängnis am Gran Sasso oder das Niederwerfen der Verschwörung gegen Hitler in der Bendlerstraße durch den Major Rehmer. Es gab damals bei vielen Deutschen Entsetzen, bei anderen Bewunderung angesichts der Befreiung Kapplers. Ja, fragte er sich jetzt, war nicht vielleicht hier und da sogar beides zugleich empfunden worden in ein und derselben Brust? Er gestand den Neonazis zu, wenn sie schon von ihrer Hingabe an die »große deutsche Zeit« nicht lassen konnten, eine stille, nostalgische Verehrung weiter zu betreiben, in Reminiszenzen zu schwelgen und vielleicht, wenn sie Soldaten gewesen waren, sich ihrer Heldentaten zu erinnern und davon zu zehren. Aber sie sollten, verdammt noch mal, damit in ihren eigenen vier Wänden bleiben!
    Er entsann sich, daß sein Vater manchmal von Kriegskameraden erzählt hatte, die später den Krieg als ihre beste Zeit ansahen, weil er ihnen auf legale und unverfängliche Weise das Ausbrechen aus monotoner Alltäglichkeit erlaubt hatte. Ja, von einem schon fast skurrilen Fall wußte der alte Paul Hemmerich zu erzählen. Einer seiner Freunde, im Zivilberuf Arzt, war als Hauptmann der Reserve an die Front geschickt worden. Seiner Frau gelang es, ihn als unabkömmlich einstufen zu lassen, er kam in die Heimat zurück, tauchte aber kurz darauf wieder bei seinen Frontkameraden auf. Dieser Vorgang wiederholte sich mehrmals. Seinen engsten Freunden erklärte er eines Tages das rätselhafte Hin und Her. Er hatte sich hinter dem Rücken seiner Frau jedesmal wieder an die Front gemeldet und um Aufhebung des UKStatus gebeten. Es war eine ganz normale Ehe gewesen, und vielleicht – so hatte Paul Hemmerich etwas verwegen hinzugefügt – hatte es genau daran gelegen.
    Aber dann hatte er seinen beiden Söhnen, damit sie ja nicht zu falschen Schlüssen kamen, auch von den Schrecknissen des Krieges erzählt, von den Männern, die in den Gräben verbluteten, von anderen, denen bei vierzig Grad Kälte die Füße abfroren, von Bombenhagel und Trommelfeuer und von der verzweifelten Sehnsucht, endlich nach Haus zu kommen.
    So wußte Klaus Hemmerich, was im Grunde jeder weiß. Die Zeit damals war furchtbar. Und er dachte. Wenn diese Verirrten denn wirklich nicht lassen können von ihren verbrämten Erinnerungen, dann sollen sie die gefälligst als ihre Privatangelegenheit betrachten! Und sie sollen ihren Irrtum nicht schon wieder zu einem politischen Anspruch machen! Dies zumindest müßten sie doch gelernt haben, daß ihre Ideologie einen Weltbrand auslöste und fünfzig Millionen Menschenleben kostete!
    Das war seine Meinung, und da er durch das Schicksal seines verschollenen Bruders die gefährliche Aktivität der Unbelehrbaren kennengelernt hatte, waren aus seiner Empörung Zorn und Haß geworden. Er geriet, je länger er über die Leute nachdachte, in deren Lager er sich eingeschlichen hatte, um so tiefer hinein in ein Gefühl persönlicher Feindschaft gegenüber den faschistischen Bünden, zu denen auch die spanische Falange gehörte und der italienische Ordine Nuovo.
    Was hatte Bert Naumann ihm sonst noch erzählt? Er hatte Archivmaterial heraussuchen lassen und es auf dem großen Redaktionsschreibtisch ausgebreitet. Zu zweit hatten sie die Unterlagen durchgesehen.
    Besonders ein Umstand war ihnen aufgefallen, daß die neuen Nazis es seit Jahren darauf angelegt hatten, sich Waffen zu beschaffen. Zwar schienen sie bei Störaktionen meist mit relativ harmlosem Gerät unterwegs zu sein, mit Ketten und Gummiknüppeln, aber die Unterlagen sagten auch aus, daß sie an verschiedenen Plätzen regelrechte Depots unterhielten, in denen Kriegsmaterial lagerte. Karabiner, Pistolen, Handgranaten, Sprengstoff, Maschinengewehre. In Höxter hatte man ein solches Arsenal entdeckt, auch in Hamburg, und Hemmerich erfuhr, daß sogenannte Wehrsportgruppen nicht nur an leichten Handfeuerwaffen, sondern sogar an schwerem Geschütz ausgebildet wurden.
    Auch eine Gruppe mit dem Namen BRAUNE KOLONNE tauchte in dem Archivmaterial auf.

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