1980 Die Ibiza-Spur (SM)
in unbeleuchteten Lettern verkündete: PELETERÍA JULIA.
Sie verließen den Wagen, überquerten Hand in Hand die mehrspurige Avenida, was gar nicht einfach war, da die Autos nur selten eine Lücke ließen. Sie traten in das Geschäft ein und wurden sogleich von einer sehr eleganten jungen Frau begrüßt. Sprache und Aussehen ließen auf eine Spanierin schließen, so daß sie in ihr nicht Julia Potter vermuten konnten, von der sie wußten, daß sie aus Deutschland stammte.
Klaus’ Sprachkenntnisse erwiesen sich auch hier als leidlich brauchbar. Seine vielen Reisen nach Mittel- und Südamerika hatten ihn im Laufe der Jahre so weit mit dem Spanischen vertraut gemacht, daß er mit einer einfachen Konversation immer zurechtkam.
Der Besuch in dem Geschäft lief etwa so ab, wie sie ihn sich vorgestellt hatten, nur daß es Klaus auch hier nicht gelang, mit jemandem ins Gespräch zu kommen, der aller Wahrscheinlichkeit nach an Victors Verschwinden mitschuldig war.
Während Christiane sich in einer Jacke aus sibirischem Fell vor dem Spiegel drehte, saß Klaus in einem Sessel, rauchte seine Zigarette und beobachtete die Verkäuferin, die ihrer Kundin in einem ziemlich exotischen Englisch die Modelle erläuterte. Sicher hat sie nichts mit der BRAUNEN KOLONNE zu tun, dachte er. Sie werden in ihren diversen Geschäften eine ganze Reihe von Leuten haben, die von den heimlichen Machenschaften nichts wissen und gerade darum für die Tarnung gut sind. Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, stand auf und trat ebenfalls an den Spiegel.
»Ich dachte, die Besitzerin sei eine Deutsche«, sagte er beiläufig zu der Verkäuferin. Auch er sprach nun aus Rücksicht auf Christiane englisch.
»Ja«, antwortete die junge Frau, » Señora Julia. Ihr gehört das Geschäft, aber sie ist heute in Barcelona auf der Messe. Sonst ist sie meistens hier. Wollten Sie sie sprechen?«
»Nein, nein. Ich fragte nur, weil man uns sagte, dies sei ein deutsches Geschäft. Man erzählte uns auch, Doña Julia sei mit einem Deutschen verheiratet.«
»Das stimmt nicht ganz. Sie ist die Frau von Javier Hentschel, dem Juniorchef im Hotel EL CASTILLO. Er hat einen deutschen Vater und eine spanische Mutter.«
»Ach, so ist das. Ich glaube, es leben viele Landsleute von uns auf dieser Insel.«
»Ja, ziemlich viele«, sagte sie und half Christiane in einen kostbaren Mantel aus kanadischem Luchs. »Dies ist«, fuhr sie fort, »übrigens eins unserer schönsten Stücke, und Sie bekommen es wesentlich billiger als in London oder München oder Paris. Es gibt Leute, die kommen hierher, nur um sich einen Pelz zu kaufen, und fliegen am selben Tag zurück. Werden Sie sich länger hier aufhalten?«
»Ja«, antwortete Christiane, »eine oder zwei Wochen.«
»Das ist gut. Sie müssen sich also nicht sofort entscheiden. Einen Pelz kauft man wie ein Schmuckstück. Man sieht ihn, verliebt sich in ihn, trägt ihn ein paar Tage lang in Gedanken, und dabei merkt man, daß man ohne ihn eigentlich nicht auskommt. Und dann geht man und kauft ihn sich.«
Klaus empfand diese Art der Kundenbetreuung, die nicht auf sofortigen Kauf drängt, als angenehm. Ja, er bewunderte die Spanierin geradezu, tat sie doch das für eine Verkäuferin Bedenklichste, riet zum Gehen, ohne ihre Chance abgesichert zu haben.
Und dann zeigte sich, daß die dunkle Schöne auch eine aufmerksame Zuhörerin war, denn als Christiane in dem knielangen Mantel ein paar Schritte durch den Laden machte, wandte sie sich wieder an Klaus:
»Es ist tatsächlich so, wie Sie sagten. Hier leben viele Deutsche, aber auch andere Ausländer. Wenn Sie an einem Sommerabend über den Paseo Vara de Rey gehen, ist es wie eine internationale Modenschau. Mannequins und Zuschauer kommen aus der ganzen Welt.«
Noch einmal dachte Klaus an den ursprünglichen Plan, der ihnen von Hamburg aus als leicht durchführbar und zugleich ergiebig erschienen war, in dieses Pelzgeschäft einzutreten und einfach nur Augen und Ohren offenzuhalten. Aber nein, hier war nichts zu holen! Es gab in diesem Laden nur die beiden Schaufenster, den Tresen, einen flachen Tisch und drei Sessel, ein paar Plastikpuppen, nackte wie angezogene, mehrere fahrbare Ständer, hohe mit Mänteln, halbhohe mit Jacken, zwei Umkleidekabinen und im Hintergrund eine Tür. Sie stand offen. Er hatte von seinem Sessel aus einen Blick in den Raum werfen können, hatte den großen Zuschneidetisch gesehen und die Nähmaschine.
»Ich glaube, wir werden wiederkommen«, sagte er zu der
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