1981 - Richard
Edmund Linz dachte jetzt ernsthaft über einen Ausweg nach, so wie er es schon am Morgen getan hatte, als alles noch Spekulation war. Was hatte dieser Schumann gesagt, es sollte ein Experiment sein, das immer noch liefe, wenn niemand einen Verdacht geschöpft hätte und vor allem, wenn Konrad Schumann ihm die ganze Sache nicht verraten hätte. Es war plötzlich still in dem Raum. Was wäre, wenn es auch weiterhin ein Geheimnis bliebe, wenn das Experiment weiterliefe. Konrad Schumann würde sicherlich für diesen Plan zu begeistern sein und dieser Sébastian Lumar spielte keine Rolle, so wie er sich die ganze Zeit benahm.
»Ich möchte wissen, wie sie es gemacht haben«, beendete Edmund Linz die Stille. »Warum hat bisher keiner der Experten Verdacht geschöpft?«
»Es war nicht einfach«, sagte Konrad Schumann. Er bekam wieder ein Leuchten in die Augen. »Wir geben uns bei allen unseren Bildern große Mühe. Darüber hinaus war der Gauguin auch noch etwas Besonderes. Er ist einzigartig.«
»Warum ist er einzigartig, wie meinen sie das?«
»Sehen sie, die Bilder, die ich auf der Auktion verkauft habe, waren richtige Reproduktionen, es waren originalgetreue Kopien von existierenden Meisterwerken und wir haben sie auch noch als Reproduktionen gekennzeichnet. Sie haben es ja selbst gesehen. Der Gauguin, ihr Bild hat eine ganz andere Geschichte. Mein Freund Sébastian hat zwar auch eine Vorlage verwendet, aber es handelte sich dabei nicht um ein bekanntes Meisterwerk. Es war noch nicht einmal ein Ölgemälde, es war eine Zeichnung, eine Skizze, die er kopiert hat.«
Edmund Linz dachte sofort an Schadensbegrenzung. Bisher stand nur die Aussage von Konrad Schumann im Raum, die Aussage, dass der Gauguin eine Fälschung war. Gab es Dokumente, mit denen diese Behauptung bestätigt wurde, gab es noch Spuren der Fälschung, gab es vielleicht noch einen zweiten oder dritten Gauguin, Kopien der Fälschung. Edmund Linz musste es herausfinden.
»Zeigen sie es mir, zeigen sie mir alles«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Erklären sie es mir, verraten sie mir ihr Geheimnis.«
Bei diesen Worten wurde auch Sébastian Lumar plötzlich munter. Er richtete sich von seinem Platz auf, ohne sich zu erheben. Er blickte Konrad Schumann an. Sie schienen sich zu beraten, ohne dabei ein Wort zu wechseln. Sébastian Lumar erhob sich schließlich doch und verließ wie ein Gespenst den Raum. Konrad Schumann wandte sich wieder an Edmund Linz.
»Ich denke, sie haben das Recht, alles zu erfahren. Mein Freund Sébastian bereitet es vor. Möchten sie etwas trinken?«
»Nein, danke, bestimmt nicht.«
Konrad Schumann selbst brauchte anscheinend einen Drink. In seinem Wohnzimmer gab es eine Vitrine mit Gläsern und Flaschen darin. Er nahm sich zuerst ein Glas und verließ damit den Raum. Er holte sich Eis aus der Küche. Er kam zurück und wählte aus der Vitrine einen Whiskey. Er goss sich das Glas halbvoll und trank es in einem Zug aus. Dann wandte er sich wieder zur Tür.
»Wir müssen nach oben.«
*
Edmund Linz folgte ihm. Es ging in die oberen Stockwerke des Hauses, bis hinauf unter das Dach. Der letzte Treppenaufgang zum Boden war dunkel. Erst als Konrad Schumann oben die Tür öffnete, fiel gleißendes Licht auf den kleinen Flur am Treppenabsatz. Sie betraten einen großen Raum, der sich im Dach über die gesamte Fläche des Hauses erstreckte. Der Bodenraum war zu einem Atelier ausgebaut, mit großflächigen Dachfenstern. Sébastian Lumar setzte in der Mitte des Raumes etwas zusammen. Er war fast fertig. Er stand neben einer Staffelei, in die eine unbemalte Leinwand eingesetzt war. Die Staffelei war so umgebaut, dass ihre Streben die Leinwand nur an den Seiten stützten. Der Grund dafür war ein Projektor, der dahinter stand und seinen Lichtkegel auf die Rückseite der Leinwand warf. Das Gerät war bereits eingeschaltet, aber noch nicht auf die höchste Helligkeitsstufe eingestellt.
»Wir möchten Ihnen gerne zeigen, wie wir unsere Reproduktionen so perfekt hinbekommen«, begann Konrad Schumann seine Erklärungen. »Es ist natürlich vor allem das Können meines Freundes Sébastian, aber auch ein wenig Technik. Hier sehen sie eine präparierte Leinwand.«
Konrad Schumann nickte Sébastian Lumar zu. Mit einem Griff schaltete er den Projektor auf volle Helligkeit. Edmund Linz stand direkt vor der Leinwand. Das Licht des Projektors war in der ersten Sekunde noch sehr schwach, hellte sich dann aber schnell auf. Die Leinwand schirmte den
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