1981 - Richard
anzusehen. Sie suchte nach dem Motiv, nach der Strandszene. In der Orthopädie hingen gut zwanzig Bilder. Aufnahmen vom Strand waren zwar auch darunter, aber nicht dieses eine, das sie suchte. Es gab noch einen Flur im Krankenhaus, auf der anderen Seite des Gebäudes, auf dem die übrigen Bilder aufgehängt waren. Florence verließ die Orthopädie. Jede Station hatte von außen einen Zugang. Vor dem Krankenhaus verlief ein breiter gepflasterter Weg, von dem die Eingänge zu den einzelnen Stationen abgingen. Sie verließ das Gebäude. Sie ging auf dem Weg, bis ans andere Ende des Komplexes und betrat dann die Abteilung für Inneremedizin. Bereits in dem kleinen Vorraum, von dem die Ärztezimmer und Behandlungsräume abgingen, hingen einige der übrigen Fotografien aus der ehemaligen Rathaus-Ausstellung. Jetzt wusste sie auch, warum sie sich so gut an das Bild erinnern konnte. Auf die Flure der Stationen kam sie eher selten. Hier in diesem Vorraum hatte sie aber mehr als einmal gewartet. Es kam oft vor, dass sie die Ärzte beriet, wenn es um die richtigen Medikamente für einen Patienten ging. Die Gespräche fanden zumeist in den Ärztezimmern auf den Stationen statt. Bei den Terminen musste sie oft noch warten, wenn gerade ein Patient im Behandlungsraum versorgt wurde. Dann hatte sie häufig die Zeit, sich die Fotografien anzusehen. Sie kannte die Aufnahmen hier in der Inneren daher besser als die Bilder, die in der Orthopädie hingen. Das Foto, das sie suchte, fand sie sofort. Es gab sogar noch ein zweites Bild, auf dem das kleine Mädchen zu sehen war und sie war es tatsächlich. Die Ähnlichkeit zwischen dem Gauguin-Gemälde und dem Kind auf den Fotografien war mehr als deutlich. Florence hatte sich zunächst nur an den Sonnenhut erinnern können und weniger an das Gesicht. Sie verglich noch einmal die alten Fotografien mit dem Gemälde. Sie hielt den Ausdruck daneben. Nein, es war eindeutig, sie war es. Florence war ganz aufgeregt. Eines der Bilder aus der Ausstellung, war das Gruppenfoto, das Florence die ganze Zeit vor Augen hatte. Im Zentrum der Fotografie befand sich das Fischerboot, es war auf den Strand gezogen. Der Mast war durch den oberen Bildrand abgeschnitten. Mehrere Erwachsene standen links und rechts vom Kiel. Vor Ihnen hatten sich Kinder und einige Frauen gehockt. Es waren vielleicht fünfzehn Personen. Das Foto war so aufgenommen, dass die Gesichter all der Menschen gut zu erkennen waren. Die zweite Fotografie zeigte nicht den Strand, sondern eine Siedlung mit Häusern und unbefestigten Straßen. Die Kleine trug hier keinen Hut mehr und hatte auch ein anderes Kleid an. Es war ein schweres, braunes Kleid, das nicht richtig zum Klima der Inseln passte. Vor einem Kolonialwarenladen hatten sich ein dutzend Kinder versammelt. Es sah beinahe aus wie eine Schulklasse. Einige der Kinder hatten große geflochtene Körbe vor ihre Füße gestellt, die mit Obst und Gemüse angefüllt waren. Neben dem kleinen Mädchen schienen auch alle anderen Kinder europäischer Abstammung zu sein. Das Bild war anders, als die Aufnahme vom Strand. Auf dem Foto vom Strand hatten die Erwachsenen und auch die Kinder noch versucht, sehr würdevoll in die Kamera zu blicken. Insgesamt sahen aber alle immer noch sehr fröhlich aus und lächelten beinahe, als wenn der Fotograf es Ihnen vor dem Auslösen der Kamera zugerufen hätte. Auf dem zweiten Foto, das vor diesem Laden aufgenommen worden war, hatte das kleine Mädchen die Augen leicht zusammengekniffen und sah recht ernst aus. Es war eindeutig, dass Gauguin in dem Ölgemälde eher die Stimmung eingefangen hatte, die auch in der Fotografie vom Strand herrschte. Florence nahm die zweite Aufnahme von der Wand und hielt sie neben die Strandszene. Sie sah sich die beiden Fotos genauer an. Ihr Blick wechselte mehrfach vom einen zum anderen. Irgendetwas unterschied die Gesichter des kleinen Mädchens. Es war nicht der Gesichtsausdruck, es war etwas anderes. Florence überlegte, aber sie konnte den Grund dafür nicht feststellen. Die Kleine hatte lange, wohl dunkelblonde Haare, die glattgekämmt über ihrer Schulter lagen. Bei der Aufnahme am Strand waren ihren Haare noch von dem Hut verdeckt. Florence betrachtete sich das Ölgemäldes. Gauguin hatte sie so gemalt, dass ihre langen Haare nach hinten über den Rücken gelegt waren. Einige Strähnen bedeckten die Schulter und waren nur schwer von der Farbe ihres Kleides zu unterscheiden. Der Schwarzweiß-Ausdruck des Ölgemäldes gab
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