1988 VX (SM)
Aufnahmen.«
»Er ist hoffentlich kein Ikarus«, antwortete Zayma. »Bei dem schmolz das Wachs, mit dem die Flügel befestigt waren, und er stürzte ab.«
»Sei mal ’ne Weile still! Ich muß mich höllisch konzentrieren.«
Zayma schwieg, und Hilario ließ den unsichtbaren Vogel über dem Wasloher Depot kreisen. Zwischendurch sah er mehrmals auf die Uhr.
Sechsmal hatten sie die OPERATION ADEBAR, wie das trickreiche Fotoprojekt innerhalb der Gruppe genannt wurde, durchgeführt, natürlich weitab von Wasloh. Dabei hatte es zwei Pannen gegeben. Einmal war ein Relais ausgefallen, und daraufhin hatten die Auslöser nicht mehr reagiert. Die zweite Panne war aufregender gewesen. Hilario hatte den Vogel zu weit geschickt, so daß er, begünstigt durch einen plötzlichen Windschub, den Sendebereich verließ und abstürzte. Er landete in einem Rapsfeld, dessen dichtstehende Halme den Sturz auffingen. Es gingen zwar ein paar Federn verloren, aber die in mühevoller Arbeit installierte Technik nahm keinen Schaden.
»Ich glaube, jetzt ist es genug«, sagte Hilario, »ich rufe ihn zurück.«
»So schnell schon?«
»Ja. Wenn er zu lange über dem Camp kreist, werden die Männer vielleicht mißtrauisch.«
»Aber hat er denn schon alle Aufnahmen gemacht?«
»Ja.«
»Hoffentlich haben die Amis ihn nicht runtergeholt!«
»Geschossen haben sie schon mal nicht. Das hätten wir gehört. Nimm wieder dein Glas! Wenn ich richtig manövriert habe, müßte er rechts, ungefähr über dem Depoteingang, rauskommen. Nein, brauchst nicht zu suchen. Da ist er! Ich kann ihn mit bloßem Auge erkennen.«
»Ja, ich seh’ ihn auch.«
Hilario lenkte den Vogel in Richtung auf das Kornfeld und verringerte die Höhe. In ganz flachem Winkel flog der Storch abwärts, streifte schließlich das Grün und verschwand. Sie liefen nicht, sondern gingen langsam, Hand in Hand, denn natürlich hatten sie keine Gewähr dafür, daß sie unbeobachtet geblieben waren.
Sie hatten sich die Stelle, an der der Storch weggetaucht war, gemerkt, hielten auf sie zu, brachen ein in das Dikkicht der jungen Halme, setzten behutsam Fuß vor Fuß. Nach gut zwanzig Schritten hatten sie ihren Vogel gefunden. Er war unbeschädigt. Noch an Ort und Stelle nahm Hilario die Fotoapparate heraus, sah auf die Zählwerke.
»Zweimal sechsunddreißig Aufnahmen«, sagte er. Sie benutzten die Schneise, die sie auf dem Hinweg geschlagen hatten, auch für den Rückweg. Zayma trug den Vogel, Hilario die Kameras, und noch im Gehen kurbelte er die Filme zurück, nahm sie heraus, steckte sie in die Innentasche seiner Jacke.
Sie erreichten ihren Lagerplatz, verstauten den Storch in der Kühlbox. Dann packten sie ihre Sachen zusammen. Die Box brachten sie in den Wald, versteckten sie im Unterholz. In ein paar Tagen würden sie sie abholen. Robert hatte gesagt: »Laßt den Vogel da, denn vielleicht ist er ihnen ja doch irgendwie verdächtig vorgekommen, und dann könnte es Autokontrollen geben.«
Sie gingen zu Zaymas buntem VW, der am Wegrand geparkt war. Die Picknickausrüstung kam auf den Rücksitz. Danach mußten die Filme verstaut werden. Hilario öffnete den Kofferraum, nahm einen kleinen Klappstuhl heraus und drehte eins der unten geschlossenen Stahlrohrbeine ab. Dann schob er die Spulen tief hinein in die metallene Röhre, schraubte sie wieder an und legte den Stuhl zurück an seinen Platz, schloß die Haube.
Sie stiegen ein, fuhren los. Auf der Fahrt bis zu ihrer Neuenburger Wohnung gerieten sie dreimal in eine Kontrolle, aber soviel sie erfahren konnten, hatten die Überprüfungen nichts mit ihrem Storch zu tun, sondern hingen mit der Ermordung Bradens zusammen.
Und dann erfolgte in einem als Dunkelkammer eingerichteten Zimmer die Auswertung. Zu viert standen sie bei Rotlicht in dem kleinen Raum: Robert, Pierre, Hilario und Zayma. Zweiundfünfzig Aufnahmen waren gelungen. Schon die Negative hatten ein ausgezeichnetes Resultat verraten, und als Pierre dann die 23 mal 17 Zentimeter großen Bilder durchs Becken zog, verfolgten die vier Augenpaare gebannt das Entstehen der schwarzweißen Konturen. Jetzt erst erkannten sie, was Pierres Vorschlag, zwei Fotoapparate zu verwenden, wert gewesen war. Der eine hatte steil nach unten fotografiert und somit die Gesamtanlage aufgenommen. Da ihnen die Außenmaße des Camps bekannt waren, würde es keine Schwierigkeiten bereiten, die Größe der einzelnen Gebäude und ihre Abstände zueinander zu bestimmen. Die zweite Kamera, die in Schräglage montiert gewesen
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