1988 VX (SM)
Werkstatt besaß und die VX-Granate entleeren würde.
»Noch zwanzig Meter!« rief Rüdiger nach hinten.
»Okay.«
Vielleicht, dachte er, sind wir auf ein altes Fundament gestoßen. Nicht ausgeschlossen, daß da ein Gebäude stand, bevor Vater das Land gekauft hat. Grundmauern wären auch nicht gerade erfreulich, aber bestimmt weniger schlimm als eine Leitung, die in Funktion war und nun beschädigt ist.
Rüdiger machte halt, kniete sich hin. Golombek fragte erneut: »Können Sie schon was sehen?«
Rüdiger leuchtete nach vorn. »Nein, noch immer nicht.«
Er rieb sich mit der freien Hand die Beine, erst das linke, dann das rechte, und sagte: »Mir tun die Knochen weh von diesem Schimpansengang!«
»Mir auch. Aber wenn wir die Granate schleppen, wird’s noch viel mühsamer.«
»Nicht schleppen. Das macht man ganz anders.«
»Wie denn?«
»Zum Beispiel sie auf eine dicke Wolldecke legen und dann durchs Rohr ziehen. Noch besser wäre eine Matratze als Unterlage. Die wird dann von der Reithalle aus mit einem langen Seil durch den Tunnel gezogen.«
Golombek war wieder einmal beeindruckt. »Eine phantastische Lösung! Aber was, wenn es nun gar nicht mehr dazu kommt? Wenn wir da vorn zum Beispiel an eine Leitung geraten sind, eine, die zum Depot führt?«
»Leitungen liegen nicht so tief.«
»Abwasserleitungen doch.«
»Die gibt es da bestimmt nicht. Oder sind auf Ihrer Weide Deckel von Lüftungs- und Kontrollschächten?« »Nein.«
»Na also! Nur nicht den Mut verlieren! Irgendwie kommen wir schon weiter.«
»Aber wenn da vorn nun doch ein unüberwindliches Hindernis liegt, was dann? Könnte man die vielen Meter, die wir schon geschafft haben, noch retten? Ich meine, könnte man den Tunnel kurz vor der kritischen Stelle versetzen? Durch eine Kursänderung? Eine Biegung?«
»Ausgeschlossen! Wir müßten an anderer Stelle ganz neu ansetzen. Na ja, und Sie müßten dann ein zweites Schwimmbad bauen oder ’ne Turnhalle, jedenfalls irgendwas auf Stützpfeilern. Aber nun auf zum Endspurt!«
Und so trabten sie weiter im Schimpansengang. Der Lichtkegel eilte ihnen voraus.
Schließlich erreichten sie das Ende der Röhre, leuchteten es aus, hatten keine Wand aus gelbem Kies vor sich, sondern nur graues Gestein.
»Verdammt!« sagte Rüdiger. »Ein Riesenfindling, höher und breiter als das Rohr! Also können wir ihn nicht freischaufeln und durch den Tunnel ziehen.«
»Dann ist es aus.«
Statt zu antworten, kreiste Rüdiger noch einmal mit dem Lampenstrahl um den Stein, ganz langsam, Handbreite um Handbreite.
»Da!«
Das Licht blieb stehen, und Golombek sah, daß an der erhellten Stelle doch ein bißchen Kies aufschimmerte. Der Strahl wanderte weiter.
»Und da!«
Rechts, auf halber Höhe, war wiederum eine kleine Kiesfläche zu erkennen. Sie hatte die Form einer Sichel.
»Da ist die Kante unseres Felsbrockens«, sagte Rüdiger.
Auf der linken Seite fanden sie eine dritte Stelle, an der, dünn wie ein Bleistift, der gelbe Strich entlanglief.
»Es gibt Findlinge von viel größeren Ausmaßen«, sagte Rüdiger, »im Gebirge zum Beispiel. Die hat unser Bursche nicht, zum Glück, denn sonst hätten wir wirklich neu anfangen müssen.«
»Trotzdem! Wir kriegen ihn nie und nimmer da weg! Okay, da sind ein paar Stellen mit Kies, aber er paßt nun mal nicht in unser Rohr, und außerdem kann er zehn oder zwanzig Meter lang sein.«
»So verrückte Formen haben Findlinge nicht. Die Sache stellt sich mir ungefähr so dar, als schlürfte ich an einer Orangenlimonade.«
»Wie bitte?«
»Mit ’nem Strohhalm. Ich saug’ und saug’, und plötzlich sitzt ein Apfelsinenkern davor, und ich krieg’ keinen Saft mehr. Kern und Strohhalm, so etwa wird das Größenverhältnis zwischen dem Findling und unserer Röhre sein.«
»Aber wirklich nur das Größenverhältnis! Die Probleme, finde ich, ähneln sich nicht gerade. Den Kern können Sie wegschieben mit Ihrem Halm. Sie können ihn auch mit den Fingern rausfischen oder mit dem Löffel, aber dieses Monstrum …« Golombek zeigte auf das steinerne Hindernis, das so verdammt wenig Ähnlichkeit mit einem Apfelsinenkern hatte, »kriegen wir keine drei Zentimeter zur Seite!«
»Doch! Und mehr als das! Wir kriegen den Burschen da ganz weg.«
»Aber wie denn?«
»Wir werden ihn sprengen.«
»Sprengen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Dann könnten wir genausogut ’ne Handgranate über den Zaun werfen oder mit ’ner Haubitze ins Depot schießen. Was meinen Sie, wie die Amis reagieren, wenn wenige Meter vor
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