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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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ihrem Camp ein Stück Acker in die Luft fliegt?«
Rüdiger antwortete nicht, sondern leuchtete noch einmal die für ihr Weiterkommen so entscheidende Randzone ab. Schließlich nickte er ein paarmal und sagte dann: »Ja, es müßte gehen.«
»Was? Das Sprengen?«
Wieder nickte Rüdiger.
»Aber die Ramme kann das nicht übertönen! Und falls doch, dann sieht man die Sprengung! Die Erde wird aufreißen, und die Brocken werden durch die Gegend fliegen!«
»Nein, nein, da gibt’s keinen Lärm, und da fliegt auch nichts durch die Luft. Wir werden den Stein ganz leise sprengen.«
Jetzt war Golombek schon beinahe verärgert. »Ach«, sagte er, »wollen Sie Watte nehmen statt Dynamit?«
»So was Ähnliches. Wissen Sie, was ein TRISTAR ist?«
»Ein Flugzeugtyp.«
»Ja, eine der ganz großen Maschinen. Aber sie ist leise, und darum nennt man sie auch den ›flüsternden Riesen‹. Und wissen Sie, was BRISTAR ist?«
»Nie gehört.«
»Ein Sprengstoff. Er wirkt mit einer Kraft von dreitausend Tonnen und reißt die stärksten Betonplatten und die dicksten Felsen auseinander, macht das aber fast geräuschlos. Ihn nennt man den ›flüsternden Hammer‹. Das Mittel kommt von der Firma ONODA CEMENT aus Japan. Bei uns wird es von der BRISTAR-Generalvertretung in Baden-Württemberg vertrieben. Ich hab’ schon damit gearbeitet. Man bohrt Löcher in den Stein, dicht bei dicht, das heißt …«, noch einmal wanderte der Lichtstrahl am Röhrenrand entlang, »auf dieser Fläche bringen wir zwanzig bis fünfundzwanzig Löcher unter, Tiefe etwa vierzig Zentimeter, Durchmesser drei bis vier Zentimeter. Wir füllen sie mit BRISTAR, das wir zehn Minuten vorher mit etwas Wasser angerührt haben. Wenn wir die Löcher am Abend füllen, ist unser Stein schon im Laufe des nächsten Tages …, na ja, nicht gerade atomisiert, aber doch in kleine, transportable Brocken zerlegt. Man hört nichts, und da fliegt auch nichts in die Luft.«
»Das klingt ja wie Zauberei!«
»Ist aber keine. Morgen, wenn die Ramme arbeitet, werden die Löcher gebohrt. Sobald die fertig sind, besorge ich das Mittel, und der Brei wird eingefüllt. Übermorgen reißt der Stein auseinander, und wir können die einzelnen Brocken einsammeln. Dann kommt die Schnecke wieder an ihren Platz, und es geht weiter.«
»Sie ziehen jedesmal im rechten Moment einen Trumpf aus dem Ärmel. Wieso ist denn bloß Ihre Firma in Konkurs geraten?«
Rüdiger lachte. »Wenn die Aufträge zurückgehen, das Spiel also nicht weiterläuft, nützen selbst die höchsten Trümpfe nichts. Aber diesen Stein, den knacken wir!«

7.
    Am nächsten Abend saßen sie zu fünft in der Bibliothek, Golombek, Nadine, Robert, Igor und Pierre.
»Ist er etwa ganz bis Stuttgart gefahren?« fragte Igor. Aber die anderen wußten auch nicht, wo Rüdiger den
Sprengstoff besorgen wollte, und so sagte Pierre: »Hoffentlich ist er nicht in seiner Firma aufgetaucht und da von
der Kripo in Empfang genommen worden wegen Beseitigung von Konkursmasse!«
»Dann hätte er angerufen«, meinte Nadine. »Irgendein Vorwand wäre ihm bestimmt eingefallen.«
Um kurz nach zehn Uhr hörten sie ein Auto. Pierre sprang auf und lief zum Fenster. »Leute, er ist da!
Auf dem Rücksitz stapeln sich jede Menge Tüten mit wie heißt das Zeug?«
»BRISTAR«, sagte Golombek.
Mittlerweile standen sie alle am Fenster und sahen zu, wie der lang Erwartete aus dem Wagen stieg.
    Die Vorbereitungen dauerten dann noch anderthalb Stunden. Zum Anrühren des Sprengstoffes brauchten sie Wasser, dessen Temperatur unter fünfzehn Grad lag. Zum Schluß füllten sie also Eiswürfel aus der Tiefkühltruhe in ihre Kanister. Dann machten sie sich auf den Weg, schleppten den Sprengstoff, das Wasser und ihre Geräte durch den Tunnel. Außer der Lampe hatten sie auch die Bohrmaschine zurückgelassen, und zwar aus gutem Grund. Für den Fall nämlich, daß weitere Löcher erforderlich waren, wollten sie sich die zweifache Mühe ersparen. Sie wußten alle: Der Transport von Material und Gerät durch den langen, schmalen Schlauch war nicht nur zeitraubend, sondern er ging auch mächtig in die Knochen. Da war es ein Trost, daß der auf halber Strecke entstandene Schacht für frische Luft sorgte.
    Gegen Viertel vor zwölf wurde der Sprengstoff angerührt. Wegen der Enge arbeitete jeweils nur einer ganz vorn, und das war jetzt natürlich Rüdiger. Er trug Schutzbrille und Gummihandschuhe, weil, wie er den anderen erklärt hatte, der lautlose Sprengstoff Kalk enthielt. Igor und

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