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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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ihm damit ja auch das reizvolle Vorgeplänkel, dessen Ausbleiben wohl kaum dadurch wettgemacht werde, daß sie ihm das Ding in der Unterschriftenmappe präsentiere.
    Sie gerieten in Streit, weil er sofort den Spieß umdrehte und es sich energisch verbat, daß man ihm nachspionierte. Diese Reaktion verletzte sie fast noch mehr als der degoutante Vorfall selbst.
    Sie stand auf und ging vor bis an die steinerne Brüstung der Terrasse. Ein mit Lampions geschmückter Ausflugsdampfer, von dem Musik herüberwehte, fuhr über den See. Eine Weile sah sie den davonziehenden bunten Lichtern nach; dann ging sie ins Haus und machte sich fertig für die Nacht. Am nächsten Morgen würde sie früh aufstehen, um von einem der bayerischen Schlösser aus an einer Jagd teilzunehmen, zu der ein alter Freund sie eingeladen hatte. Sie hatte ihn lange nicht gesehen, ihn schon fast aus den Augen verloren, aber nun gab es eine Chance, die einst so gute Beziehung erneut anzuknüpfen und vielleicht auch neue Verbindungen einzugehen.
    Es war nicht der Wecker, der sie aus dem Schlaf holte, sondern ein Geräusch, das sich anhörte, als knackte da jemand Nüsse, und im ersten Moment glaubte sie auch, sie hätte von Weihnachten geträumt. Doch gleich darauf war ihr klar, daß es die Dachbalken waren, in denen es knackte. Sie drückte auf den Schalter der Nachttischlampe, aber es blieb dunkel. Sie sprang aus dem Bett, lief zum Fenster, ließ mit einem nervösen Handgriff das Rouleau hochschnellen, prallte zurück. Das Reetdach, das die Gaube umgab, brannte lichterloh. Sie rannte in ihrem weiten weißen Nachthemd durchs Zimmer bis an die Tür, die zum Flur führte, und riß sie auf. Rauch schlug ihr entgegen, und so lief sie noch einmal zurück, tastete ihr Bett nach dem Kissen ab, hielt es sich vors Gesicht, eilte erneut zur Tür und dann weiter auf den Gang hinaus, und da sah sie voller Entsetzen, daß der untere Teil der breiten, in die Wohndiele hinabführenden hölzernen Treppe auch in Flammen stand. Sie hastete ein paar Stufen hinunter und entdeckte das ganze Ausmaß des Infernos, in dem sie gefangen war. Die Diele war ein einziges riesiges Feuer. Die Möbel, die Teppiche, die Tapete, die Bücher, die Vorhänge, alles brannte, und sie begriff sofort, da hatte nicht irgendeine defekte elektrische Leitung zu schmoren begonnen und war dann zu einem kleinen Brandherd geworden! Um das Haus herum wütete ein Ring aus Feuer, und im Erdgeschoß loderte ein regelrechter Flächenbrand! So etwas entstand nicht durch einen Defekt. Nein, das war von Hand gemacht.
    Sie erkannte: Durch die Diele gab es kein Entweichen. Also wieder nach oben. Der Rauch war jetzt so dicht, daß sie Mühe hatte zu atmen. Immer wieder schlug sie sich das Kissen vors Gesicht, auch wenn es viel zu dick war, um als Filter dienen zu können; eher nahm es ihr noch zusätzlich Luft. Eine Tür nach der anderen riß sie auf, aber überall war der Brand schon ins Gebälk vorgedrungen und hatte die Räume zu Giftschleusen gemacht. Noch einmal lief sie zurück in ihr Schlafzimmer. Eine Lampe brauchte sie nun nicht mehr, denn das Feuer, das die Gardinen erfaßt hatte, leuchtete jeden Winkel aus. Warum hat dieser Vollidiot Ernst Pohlmann in einer bayerischen Landschaft unbedingt ein Amrumer Reetdach haben wollen? schoß es ihr durch den Kopf. Sie machte kehrt, erreichte die Treppe.
    Das Feuer war ein paar Stufen höher geklettert, aber sie glaubte keinen anderen Ausweg zu haben und tastete sich ein Stück hinab, schrie wenige Sekunden später auf. Die Flammen hatten ihr Nachthemd erfaßt. Sie lief zurück, schlug wie wild auf den Saum des langen Gewandes ein, und es gelang ihr, wenigstens dort das Feuer zu löschen.
    Plötzlich hörte sie die Sirene, dachte: Endlich kommen sie und holen mich hier raus! Aber die nächste Minute verging, ohne daß jemand erschien, und eine Minute war eine Ewigkeit in dieser Gluthitze, in diesem Rauch und in der furchtbaren Angst, die sich ihrer bemächtigt hatte.
    Sie stand noch immer am Rand der Treppe, überlegte, ob sie es durch eins der Fenster versuchen sollte, verwarf den Plan. Sie könnte von dort aus nicht senkrecht ins Freie springen, sondern hätte zunächst einen etwa zwei Meter langen Abschnitt der brennenden Dachschräge zu bewältigen, und hinzu kam, daß mittlerweile auch die Fensterrahmen in Flammen standen und sie also erst mal wie ein Tier im Zirkus durch einen brennenden Reifen springen, nein, klettern müßte.
    Sie nahm allen Mut zusammen,

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