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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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streunende Mädchen, wie es sie an diesem Platz zu jeder Tages- und Nachtzeit gab. Ihm grauste vor ihren bleichen, hohlwangigen Gesichtern. Doch gleich darauf schlug er sich die Elendsgestalten aus dem Kopf und konzentrierte sich auf das, was für ihn jetzt hundertmal wichtiger war.
Er betrat die Zelle und zog die Tür hinter sich zu, griff dann in die Jackentasche, deponierte seine Fünfmarkstücke auf dem kleinen Bord, warf die erste Münze ein, wählte. Es funktionierte nicht auf Anhieb. Bei drei Versuchen erklang jedesmal nach der siebten Ziffer ein Signalton. Er wurde nervös. Was, wenn die verdammte Technik ihm in die Quere kam? Bei dem Probeanruf hatte es aber doch geklappt! Da hatte er es mit der Nummer eines chilenischen Lieferanten versucht. Die Verbindung war prompt zustande gekommen. Und nun dies! Hatte er vielleicht die Tasten zu hastig gedrückt? Also noch einmal. Ganz langsam. Als er über die siebte Ziffer hinaus war und weiterhin nur das leise Rattern des Relais hörte, atmete er auf, wählte die lange Nummer zu Ende. Das Amtszeichen ertönte. Er wartete, biß sich auf die Lippen. Nun komm schon, bitte! » Hotel DEL MONTE, Julio Pidal, a sus órdenes! «
» Buenas noches, Señor! Puedo hablar con el Señor Theunissen?«
»Sí, un momentito. «
Wenn jetzt bloß die Leitung nicht zusammenbrach! »Hallo, mein Junge!«
»Vater!«
»Von wo aus rufst du an?«
»Ich bin in einer internationalen Zelle am Hauptbahnhof.«
»Ist dir jemand gefolgt?«
»Nein.«
»Sag schnell, wie geht es euch?«
»Gut. Na ja, den Umständen entsprechend. Aber wir haben alles unter Kontrolle. Mutter läßt grüßen.«
»Danke. Erzähl, was hat sich getan? Der Haubarg entfällt also.«
»Ja, sie waren da und bei uns auch. Leider viel früher, als wir angenommen hatten. Kommissar Ladiges kam, um dir wegen des verschwundenen Kupfers ein paar Fragen zu stellen. Nun erzähl du!«
Jacob hatte sich mit Münzen reichlich versehen und staunte, wie lange man für fünf Mark über die Tausende von Kilometern hinweg sprechen konnte. Er warf, um die Verbindung nur ja nicht abreißen zu lassen, immer schon das nächste Geldstück ein, wenn noch mindestens achtzig Pfennig angezeigt waren. »Wir wohnen in einem kleinen Touristen-Hotel in Südchile und sind hinter dem Pächter des Schrottplatzes her. Er ist offenbar geflüchtet. Aber wir haben ein paar Anhaltspunkte, und es kann sein, daß wir ihn in dieser Gegend finden. Damit wären wir ein ganzes Stück weiter. Er muß was wissen, denn er ist von den Auftraggebern hoch bezahlt worden. Vielleicht hält er sich, zusammen mit seinem Bruder, der die Sprengsätze auf der OLGA gelegt haben könnte, in einer Berghöhle versteckt. Morgen gehen wir rauf.«
»Ist das nicht viel zu riskant? Du bist doch absoluter Laie im Bergsteigen! Können Federico und Ernesto das nicht ohne dich machen?«
»Ich schaff das. Steile Hänge gibt es da nicht. Wenn wir zurück sind, fahren wir wieder in Richtung Hauptstadt. Dann kriegst du, auf demselben Weg wie diesmal, eine neue Telefonnummer. Und ihr kommt wirklich mit allem zurecht?«
»Mach dir keine Sorgen, wir halten durch. Wir sagen den Leuten, wir gingen von Selbstmord aus. Klingt schrecklich, ist aber ein guter Schutz.«
»Ja, das denk’ ich auch.«
»Den Kommissar haben wir damit ganz kribbelig gemacht, der will von Selbstmord absolut nichts wissen. Nun sag schnell, ist es da unten gefährlich für dich? Mußt du dich versteckt halten? Ich meine, wegen INTERPOL?«
»Bis jetzt noch nicht. Aber hier ist sowieso das Ende der Welt. Habt ihr was von John gehört?«
»Er hat sich bei uns nicht blicken lassen, und einfach mal hingehen …, ich weiß nicht, ob wir das tun sollten. Ich bin überzeugt, er ist der Täter oder zumindest der Drahtzieher. Anders ergibt die Sache keinen Sinn.«
»Auf keinen Fall hingehen! Mein Junge, wir machen jetzt Schluß. Ich bin so froh, deine Stimme gehört zu haben. Gib Mutter einen Kuß von mir und Mira auch! Und laß dich umarmen! Tut mir leid, daß du so früh aus den Federn mußtest.«
»Aber Vater, es gibt im Moment nichts Wichtigeres für mich, als mit dir zu sprechen. Gott sei Dank hat es mit der Verbindung geklappt. Wie machen sich denn Federico und Ernesto?«
»Großartig. Also, ihr haltet die Festung dort, und ich halte sie hier. Gemeinsam werden wir’s schaffen. Mach’s gut, mein Junge!«
»Du auch, Vater!«
Es klickte in der Leitung, und er hängte ein, blieb aber noch eine Weile in der Zelle stehen. Er spürte, wie die

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