1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)
unterhalb der Hände.
Er führte die um seine Handgelenke geschlungene Leine an die nach oben gerichtete Klappenkante und begann zu scheuern. Der mechanische Ablauf funktionierte, aber ob die Hanffasern wirklich dabei zerrieben wurden, war ungewiß. Er konnte es nicht kontrollieren, weil sich alles hinter seinem Rücken abspielte. Doch es war eine Chance, und er nutzte sie, so gut es ging.
Er war unermüdlich, gönnte sich nur Pausen von höchstens einer halben Minute, wollte ein Ergebnis, wollte den Erfolg, denn er war sich darüber im klaren, daß ein Verbleib in diesem Verlies sein Verderben wäre. Kämmerers Drohungen waren nicht einfach so dahergeredet, das hatte er deutlich gespürt.
Und ich glaube, dachte er, der Mann ist nicht nur entschlossen, sondern auch gerissen. Er wird im Hotel meine Guest-Card vorzeigen, kriegt daraufhin den Zimmerschlüssel und findet mein Geld, meine Munition und mein Notizbuch. Okay, die viertausend Mark sind dann weg und die Patronen auch. Beides ist kein Drama. Und mit den Notizen kann er nichts anfangen. Verdammt, vielleicht sucht er auch nach dem Leihwagen! Falls ja, findet er ihn und damit den Führerschein. Aber den Paß wohl nicht, der ist zu gut versteckt. Na, und mit dem Führerschein kommt er nicht weiter. Allenfalls erfährt er, daß er gefälscht ist. Auch kein Beinbruch. Er hat mir ja schon auf den Kopf zugesagt, daß ich in Wirklichkeit anders heiße.
Scheuern und Denken schlossen einander nicht aus, im Gegenteil, das Grübeln lenkte ihn ab, mäßigte seine Ungeduld und sorgte dafür, daß das kleinräumige Hin und Her – die Hände hatten nur wenig Spielraum – wie nebenbei ablief.
Sollte ich es schaffen, wären natürlich gleich darauf auch meine Füße ohne Fesseln. Ich würde mich ganz ergeben auf die Matratze setzen, die freien Hände hinterm Rücken und ein Stück Leine so über den Füßen, daß es nach einer festen Bindung aussieht, und dann … , ja, dann könnte ich aufspringen und Kämmerer, der sich bestimmt absolut sicher wähnt und mir vielleicht sogar mal den Rücken zukehrt, überwältigen. Ein Handkantenschlag ins Genick, und schon ist der Mann erledigt! Ich nehm’ ihm die Waffe ab und hab’ freie Bahn nach oben. Läuft mir da die Alte über den Weg, hau’ ich ihr den Pistolenknauf über den Schädel, und dann nichts wie raus. Ja, so kann es gehen, wenn ich die verdammte Leine durchkriege.
Nach einer halben Stunde brauchte er dann doch eine längere Pause, denn das ständige druckvolle Reiben in so ungünstiger Position hatte ihm die Schultern verspannt. Er konnte es vor Schmerzen kaum noch aushaken.
Blöd wär’ natürlich, überlegte er, wenn Kämmerer käme und ich dann noch dasäße mit der halb zertrennten Leine und dem Blechding im Rücken! Er würde mir sofort auf die Schliche kommen. Ein Blick auf das Loch in der Wand, und er wüßte Bescheid. Also doch gleich weitermachen!
Hin und wieder verrutschte das Metallstück hinter ihm, und jedesmal verstrich kostbare Zeit, bis er es erneut in Position gebracht hatte.
Endlich – er konnte schon gar nicht mehr abschätzen, wie lange es gedauert hatte – spürte er eine Veränderung. Das Tauwerk gab leicht nach, und wenig später rutschten seine Hände plötzlich ins Leere. Es war geschafft! Er streifte die Seilreste ab und machte sich daran, auch seine Füße zu befreien.
Danach stand er auf, reckte und streckte sich, massierte Hand- und Fußgelenke und setzte dann die Sicherungsklappe provisorisch wieder ein. Hauptsache, die Optik stimmte, und das tat sie.
Anschließend versteckte er das durchtrennte Seil unter der Matratze, setzte sich dann hin und schlang die andere Fessel wieder um die Fußgelenke. Sie sah wie festgezurrt aus, konnte in Wahrheit jedoch binnen Sekundenfrist entfernt werden. Hoffentlich, dachte er, kommt nun nicht die Frau hierher, sondern Kämmerer, denn sobald der mit Hilfe des Überraschungseffektes ausgeschaltet ist, hab’ ich mit ihr leichtes Spiel. Umgekehrt wäre es schwieriger.
Erneut stand er auf, wollte sich in Bewegung halten, um genügend Wendigkeit zu haben für den großen Moment. Doch als er die ersten Kniebeugen gemacht hatte, hörte er Schritte auf der Kellertreppe. Es schienen die der Frau zu sein.
Blitzschnell sprang er zurück auf die Matratze, setzte sich hin, führte die Leine über die Fußgelenke, stopfte ihre losen Enden unter die Hacken und legte die Hände auf den Rücken.
Doch es war blinder Alarm gewesen. Den Geräuschen konnte er
Weitere Kostenlose Bücher