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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Menschen, von seiner Gestalt bis zu seinen Gesichtszügen, schien im Sinne einer Rechts-Links-Asymmetrie geschaffen zu sein. Das war Tengo auf den ersten Blick aufgefallen. Selbstverständlich waren alle Menschen mehr oder weniger asymmetrisch gebaut, was an sich nicht gegen die Prinzipien der Natur verstieß. So hatte zum Beispiel Tengos rechte Augenbraue eine andere Form als die linke, und sein linker Hoden lag etwas tiefer als der rechte. Schließlich war der menschliche Körper keine Massenware, die nach Fabriknorm hergestellt wurde. Doch bei diesem Mann überstiegen die Unterschiede zwischen der linken und der rechten Seite jedes normale Maß. Diese so überdeutlich ins Auge fallende Unausgewogenheit reizte die Nerven des Gegenübers und verursachte Unbehagen. Es war, wie vor einem gewölbten (und gerade dadurch unangenehm deutlichen) Spiegel zu stehen.
    Der graue Anzug des Mannes war völlig zerknittert. Er erinnerte an eine durch Gletscherverschiebungen erodierte Landschaft. Die Spitzen seines Hemdkragens bogen sich nach außen, und der Knoten seiner Krawatte war derart verdreht, als winde er sich vor lauter Scham, dort anwesend sein zu müssen. Weder Anzug noch Krawatte passten, nicht einmal das Hemd hatte die richtige Größe. Das Muster auf der Krawatte war offenbar von einem unbegabten Kunststudenten nach dem Vorbild eines Knäuels dünner weißer Nudeln entworfen worden. Die gesamte Garderobe des Mannes wirkte provisorisch und wie in irgendwelchen Ramschläden zusammengekauft. Bei längerem Hinschauen bekam Tengo fast Mitleid mit den Sachen. Er selbst achtete kaum auf sein Äußeres, genoss es seltsamerweise jedoch, wenn andere Menschen gutgekleidet waren. Hätte er unter seinen Bekanntschaften der letzten zehn Jahre die am schlechtesten gekleideten Personen auswählen müssen, wäre dieser Mensch ganz bestimmt auf seiner relativ kurzen Liste gewesen. Er war nicht einfach nur scheußlich angezogen. Man konnte sogar den Eindruck gewinnen, er wolle jeglicher Idee von gelungener Aufmachung spotten.
    Als Tengo den Empfangsraum betrat, erhob sich der Mann und zog eine Visitenkarte aus einem Etui, um sie ihm zu überreichen. TOSHIHARU USHIKAWA stand da in japanischer und darunter in lateinischer Schrift zu lesen. Sein Titel lautete »Generaldirektor der Stiftung zur Förderung der neuen japanischen Wissenschaften und Künste «. Als Geschäftsadresse war Kojimachi im Bezirk Chiyoda angegeben, und auch eine Telefonnummer stand dabei. Tengo hatte natürlich keine Ahnung, was für eine Art von Stiftung das war und was es bedeutete, ihr Generaldirektor zu sein. Immerhin wirkte die anspruchsvolle Visitenkarte mit dem aufgeprägten Emblem keineswegs improvisiert. Nachdem Tengo sie kurz betrachtet hatte, sah er wieder den Mann an. Er entsprach nicht seiner Vorstellung eines Generaldirektors der Stiftung zur Förderung der neuen japanischen Wissenschaften und Künste .
    Die beiden setzten sich auf einander gegenüberliegende Sofas und musterten sich über den niedrigen Couchtisch hinweg. Nachdem der Mann sich mit einem Taschentuch mehrmals gründlich den Schweiß von der Stirn gewischt hatte, stopfte er das bedauernswerte Stück Stoff wieder in seine Jacketttasche. Die Rezeptionistin brachte Tee. Tengo bedankte sich bei ihr. Ushikawa äußerte sich nicht.
    »Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so unangemeldet in Ihrer Pause überfalle«, entschuldigte sich Ushikawa bei Tengo. Er drückte sich ziemlich höflich aus, aber sein Tonfall war unangenehm leutselig und schmierig. Tengo gefiel er überhaupt nicht. »Haben Sie schon gegessen? Wenn Sie möchten, können wir zusammen etwas essen gehen.«
    »Ich esse nie zu Mittag, wenn ich arbeite«, sagte Tengo. »Erst nach dem Unterricht nehme ich etwas zu mir. Machen Sie sich keine Gedanken.«
    »Also gut. Dann werden wir uns hier unterhalten. Hier ist es auch schön ruhig.« Er ließ seinen Blick abschätzig über den nicht gerade außergewöhnlichen Empfangsraum gleiten. An einer Wand hing ein großes Ölgemälde von irgendeinem Berg. Abgesehen davon, dass die Farbe ziemlich dick aufgetragen worden war, war das Bild nicht besonders beeindruckend. In einer Vase standen ein paar Blumen, vielleicht Dahlien. Sie wirkten schwerfällig, ein wenig wie mollige Damen mittleren Alters. Tengo fragte sich, warum das Empfangszimmer einer Yobiko so trübselig sein musste.
    »Wie Sie meiner Visitenkarte entnehmen können, heiße ich Ushikawa, aber meine Freunde nennen mich Ushi. Niemand

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