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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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nichts als liegen. Schmerzen verspüre ich nicht. Aber ich kann keinen Muskel regen. Nicht einen Finger. Selbst bei Einsatz großer Willenskraft kann ich höchstens die Augäpfel bewegen. Das passiert mir etwa ein- bis zweimal im Monat.«
    »Gibt es Anzeichen, die diesen Zustand ankündigen?«
    »Zuerst bekomme ich Krämpfe. Die Muskeln verschiedener Körperteile beginnen zu zucken. Das dauert zehn oder auch zwanzig Minuten an. Danach sind die Muskeln völlig tot, als hätte sie irgendwo jemand abgeschaltet. Also begebe ich mich während der zehn bis zwanzig Minuten, die dieser Starre vorangehen, an einen Ort, wo ich mich hinlegen kann, wie ein Schiff, das in einer Bucht Zuflucht vor einem Sturm sucht. Dort warte ich, dass die Lähmung vorübergeht. Währenddessen ist nur mein Bewusstsein aktiv. Es ist sogar klarer als sonst.«
    »Und Sie haben keine körperlichen Schmerzen, nicht wahr?«
    »Mein ganzer Körper ist völlig gefühllos. Man kann mich mit einer Nadel stechen, und ich spüre nichts.«
    »Und Sie haben sich deshalb ärztlich untersuchen lassen?«
    »Ich war bei einer anerkannten Kapazität in einer Spezialklinik. Und habe noch mehrere andere Ärzte konsultiert. Aber am Ende ist nur herausgekommen, dass ich an einer unbekannten Krankheit leide, gegen die man nach dem gegenwärtigen Stand der Medizin nichts tun kann. Ich habe alles versucht, was man sich nur vorstellen kann – chinesische Medizin, Osteopathen, Chiropraktiker, Akupunktur und Moxibustion, Massagen, heiße Bäder – ohne nennenswertes Ergebnis.«
    Aomame verzog das Gesicht. »Worum ich mich bemühe, ist eine Aktivierung und Belebung alltäglicher Körperfunktionen. Ernsthafte Erkrankungen wie die Ihre gehen weit über meine Kompetenzen hinaus.«
    »Auch darüber bin ich mir im Klaren. Aber ich will alle Möglichkeiten ausschöpfen. Auch wenn Ihre Methode keinen Erfolg zeigen sollte, werde ich Sie nicht dafür verantwortlich machen. Sie tun einfach das, was Sie für gewöhnlich tun. Und wir werden sehen, wie mein Körper darauf reagiert.«
    Aomame stellte sich die Szene vor, wie der riesige Leib dieses Mannes irgendwo in einem abgedunkelten Raum lag, reglos wie ein Tier im Winterschlaf.
    »Wann ist diese Lähmung das letzte Mal aufgetreten?«
    »Vor zehn Tagen«, sagte der Mann. »Es fällt mir etwas schwer, darüber zu sprechen, aber es gibt etwas, das ich Ihnen besser mitteilen sollte.«
    »Sagen Sie bitte alles ohne Umschweife frei heraus.«
    »Während dieses scheintodartigen Zustands meiner Muskeln habe ich die ganze Zeit eine Erektion.«
    Aomames Gesicht verzog sich bedrohlich. »Das heißt, Ihr Penis ist die ganze Zeit steif?«
    »Genau.«
    »Aber Sie spüren nichts?«
    »Nein«, sagte der Mann. »Auch kein Verlangen. Mein Penis ist einfach nur hart. Hart wie Stein. Genau wie die Muskeln.«
    Aomame schüttelte leicht den Kopf. Und bemühte sich, wieder ein normales Gesicht zu machen. »Ich fürchte, auch dagegen werde ich nichts tun können. Das ist ziemlich weit von meinem Gebiet entfernt.«
    »Ich spreche nicht gern darüber, und Sie möchten es vielleicht auch nicht hören, aber darf ich fortfahren?«
    »Bitte, sprechen Sie. Ich behalte alles für mich.«
    »Ich schlafe währenddessen mit Frauen.«
    »Frau en ?«
    »In meiner näheren Umgebung lebt eine gewisse Anzahl von Frauen. Wenn ich in diesen Zustand komme, besteigen sie abwechselnd meinen erstarrten Körper. Ich empfinde keinen sexuellen Genuss. Dennoch kommt es zur Ejakulation. Sogar mehrmals.«
    Aomame schwieg.
    »Es sind insgesamt drei Frauen«, fuhr der Mann fort. »Alle noch Teenager. Sie werden sich fragen, warum ich mich mit so jungen Frauen umgebe und sexuell mit ihnen verkehre.«
    »Ist es … nun ja, Teil religiöser Handlungen?«
    Der Mann, der noch immer mit gekreuzten Beinen auf dem Bett saß, seufzte tief. »Sie halten meine Lähmung für eine vom Himmel verliehene Gnade und eine Art heiligen Zustand. Daher kommen die Frauen, sobald sie sich einstellt, und versuchen, ein Kind von mir zu empfangen. Meinen Nachfolger.«
    Aomame blickte den Mann wortlos an. Auch er schwieg nun.
    »Das Ziel der Frauen ist es also, schwanger zu werden. Ihr Kind zu empfangen, während Sie sich in diesem Zustand befinden«, sagte Aomame.
    »So ist es.«
    »Und Sie verkehren während der Stunden, in denen Sie gelähmt sind, mit den drei Frauen und ejakulieren dreimal?«
    »So ist es.«
    Aomame wurde nun zwangsläufig klar, in welch zweischneidiger Lage sie sich befand. Einerseits wollte

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