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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Aomame sprach in den Hörer: »Hallo, Tamaru. Wenn du da bist, geh bitte ran.«
    Es wurde abgehoben. »Hier bin ich«, sagte Tamaru.
    »Bin ich froh«, sagte Aomame.
    In Tamarus Stimme schwang eine Anspannung mit, die sonst nicht da war. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Im Augenblick, ja.«
    »Ist alles gut gegangen?«
    »Er schläft jetzt tief. Tiefer geht’s nicht.«
    »Verstehe«, sagte Tamaru. Seine Stimme quoll beinahe über vor Erleichterung. Für Tamaru, der niemals Gefühle zeigte, war das eine große Seltenheit. »Ich sage es ihr lieber. Das wird sie sicher beruhigen.«
    »Es war allerdings nicht ganz leicht.«
    »Ich verstehe. Aber du hast es geschafft.«
    »Ja, kann man so sagen«, sagte Aomame. »Ist das Telefon sicher?«
    »Wir benutzen eine spezielle Leitung. Also keine Sorge.«
    »Ich habe mein Gepäck aus dem Schließfach in Shinjuku geholt. Und jetzt?«
    »Wie viel Zeit hast du?«
    »Ungefähr anderthalb Stunden.« Aomame erklärte ihm kurz, dass die beiden Leibwächter dann vermutlich entdecken würden, dass ihr Leader das Zeitliche gesegnet hatte.
    »Anderthalb Stunden genügen«, sagte Tamaru.
    »Ob sie gleich die Polizei informieren?«
    »Keine Ahnung. Die Polizei hat gestern in ihrem Hauptquartier ermittelt. Man ist nicht so weit gegangen, eine vollständige Hausdurchsuchung und ein polizeiliches Verhör durchzuführen, aber es macht sicher keinen günstigen Eindruck, wenn ihr Oberhaupt jetzt plötzlich unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt.«
    »Es könnte also sein, dass sie es vertuschen und alles selbst erledigen?«
    »Kaltschnäuzig genug sind sie. Wenn wir morgen die Zeitung lesen, werden wir wissen, ob sie den Tod ihres Anführers der Polizei gemeldet haben oder nicht. Ich halte nicht viel vom Glücksspiel, aber ich würde wetten, dass sie ihn nicht melden.«
    »Den Gefallen, einen natürlichen Tod anzunehmen, werden sie uns nicht tun.«
    »Aber richtig beurteilen können sie es auch nicht. Man sieht ja nichts. Ohne Obduktion können sie nicht wissen, ob er auf natürliche Weise gestorben ist oder ermordet wurde. Auf alle Fälle werden sie zuallererst dich befragen wollen. Schließlich bist du diejenige, die den Leader als Letzte lebend gesehen hat. Und wenn sie merken, dass du deine Wohnung geräumt hast und verschwunden bist, werden sie schon drauf kommen, dass sein Tod nicht ganz so natürlich war.«
    »Und sie werden versuchen, mich zu finden. Mit allen Mitteln.«
    »Kein Zweifel«, sagte Tamaru.
    »Ob ich wirklich verschwinden kann?«
    »Unser Plan steht. Ein sehr genauer Plan. Wenn wir uns gewissenhaft und konsequent daran halten, wird niemand dich finden. Der größte Fehler wäre es, jetzt Angst zu haben.«
    »Ich werde mich bemühen«, sagte Aomame.
    »Bleib dabei. Wir müssen schnell handeln, die Zeit zu unserem Vorteil nutzen. Du bist von Natur aus wachsam und ausdauernd. Also brauchst du dich nur so zu verhalten wie immer.«
    »In Akasaka-mitsuke ist der Regen in die U-Bahn-Station gelaufen, und die Bahnen fahren nicht«, sagte Aomame.
    »Ich weiß«, sagte Tamaru. »Keine Sorge. Du wirst nicht die U-Bahn benutzen. Du suchst dir ein Taxi und fährst zu einem sicheren Versteck in der Stadt.«
    »In der Stadt? Nicht irgendwohin weiter weg?«
    »Natürlich gehst du weit weg«, erklärte Tamaru geduldig. »Doch zuvor müssen wir noch einige Vorbereitungen treffen. Du musst dein Gesicht und deinen Namen ändern. Außerdem war dieser Auftrag besonders belastend. Du bist emotional aufgewühlt. In einem solchen Zustand sollte man nichts überstürzen, dabei kommt nichts heraus. Du wirst dich also eine Weile in dem sicheren Apartment versteckt halten. Keine Sorge, wir kümmern uns um dich.«
    »Wo ist es?«
    »In Koenji«, sagte Tamaru.
    Koenji, dachte Aomame und klopfte sich leicht mit dem Fingernagel gegen die Vorderzähne. Dort kannte sie sich überhaupt nicht aus.
    Tamaru nannte die Adresse des Hauses. Wie immer machte sich Aomame keine Notizen und prägte sich alles ein.
    »Koenji, Südseite. In der Nähe der Ringstraße 7. Wohnung 303. Das automatische Schloss am Eingang geht auf, wenn man die Zahlenfolge 2831 eingibt.«
    Tamaru machte eine Pause.
    303 und 2831, wiederholte Aomame im Geist.
    »Der Schlüssel ist mit Klebeband unter der Türmatte befestigt. In der Wohnung steht alles bereit, was du vorläufig zum Leben brauchst. Am besten gehst du eine Weile nicht aus dem Haus. Ich melde mich bei dir. Ich lasse es dreimal klingeln, lege auf, und nach zwanzig Sekunden

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