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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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lang auskommen. Obst und Gemüse waren da und einige fertige Gerichte zum sofortigen Verzehr. Im Eisfach waren verschiedene Sorten Fleisch, Fisch und Brot eingefroren. Sogar Eiscreme gab es. Im Küchenschrank befanden sich alle möglichen fertigen Sachen, Dosen und eine ganze Palette gängiger Gewürze. Reis und Nudeln waren auch vorhanden. Reichlich Mineralwasser und je zwei Flaschen Rot- und Weißwein standen bereit. Wer all diese Dinge besorgt hatte, wusste sie nicht, aber die Person schien an alles gedacht zu haben. Im Moment fiel ihr nichts ein, das fehlte.
    Da sie ein wenig hungrig war, schnitt sie sich Stücke von einem Camembert ab, die sie zu ein paar Crackern verzehrte. Nachdem sie den Käse zur Hälfte gegessen hatte, wusch sie eine Stange Sellerie und knabberte sie mit etwas Mayonnaise.
    Später zog sie der Reihe nach die Schubladen der Schlafzimmerkommode auf. In der obersten fand sie einen Schlafanzug und einen dünnen Bademantel. Sie waren neu und noch in Plastikfolie verpackt. Alles sehr vorausschauend. In der nächsten Schublade lagen T-Shirts, drei Paar Socken, Strümpfe und Unterwäsche zum Wechseln. Die schlichten weißen, zum Design der Möbel passenden Sachen waren sämtlich noch verpackt. Sie fühlte sich ein bisschen wie in der Bibliothek von Jay Gatsby. Die Bücher waren echt, aber die Seiten noch nicht aufgeschnitten. Wahrscheinlich waren es die gleichen Sachen, die man auch den Neuankömmlingen im Frauenhaus zur Verfügung stellte. Alles war von solider Qualität und vermittelte ein wenig den Eindruck von »Hilfsgütern«.
    Im Bad stand alles Nötige bereit – Shampoo, Spülung, Hautcreme und Eau de Cologne. Da Aomame normalerweise kein Make-up verwendete, beschränkte sich das Sortiment auf das Nötigste. Zahnbürste, Zahnseide und Zahnpasta waren auch da. Ebenso eine Haarbürste, Wattestäbchen, Rasierer, eine kleine Schere, Monatsbinden. Sogar ein Vorrat an Toilettenpapier und Kosmetiktüchern war vorhanden. In einem Schrank stapelten sich ordentlich gefaltete Bade- und Gesichtshandtücher. An alles war gedacht, und alles war gewissenhaft angeordnet.
    In der Erwartung, Garderobe und Schuhe – natürlich von Armani und Ferragamo – in ihrer Größe vorzufinden, öffnete Aomame den Kleiderschrank. Aber sie wurde enttäuscht, der Schrank war leer. So weit war man dann doch nicht gegangen. Ihre Helfer wussten offenbar, wo die Sorgfalt aufhörte und die Übertreibung begann. Außerdem würde sie, während sie hier war, wohl kaum in eine Situation geraten, in der sie Ausgehgarderobe brauchte. Auf unnötige Dinge hatte man verzichtet. Kleiderbügel gab es allerdings im Überfluss.
    Aomame packte ihre Reisetasche aus und hängte ihre Sachen auf, nachdem sie sich bei jedem einzelnen Stück überzeugt hatte, dass es nicht zerknittert war. Ihr war klar, dass es für den Fall einer überstürzten Flucht besser gewesen wäre, sie in der Tasche zu lassen, aber wenn es auf dieser Welt etwas gab, das Aomame verabscheute, dann war es zerknitterte Kleidung.
    Zum eiskalten Profigangster habe ich wohl nicht das Zeug, dachte sie. Sich in so einem Moment Gedanken über zerdrückte Kleidung zu machen! Plötzlich musste sie an eine Unterhaltung denken, die sie irgendwann mit Ayumi geführt hatte.
    » DU MEINST, GELD UNTER DER MATRATZE VERSTECKEN, DAMIT MAN ES HERAUSZIEHEN UND AUS DEM FENSTER ABHAUEN KANN, WENN ES ENG WIRD .«
    »Genau, genau«, hatte Ayumi gerufen und mit den Fingern geschnippt. »Wie in Getaway . Diesem Film mit Steve McQueen. Dollarbündel und Shotguns. Das gefällt mir.«
    »Kein sehr vergnügliches Dasein«, sagte Aomame zur Wand.
    Sie ging ins Bad, zog sich aus und stieg unter die Dusche. Mit heißem Wasser spülte sie sich das unangenehm verschwitzte Gefühl vom Körper. Anschließend setzte sie sich an die Küchentheke, trank das restliche Bier und rubbelte sich dabei mit einem Handtuch die nassen Haare.
    Heute hat sich einiges vorwärtsbewegt, dachte Aomame. Knack hat’s gemacht, und das Zahnrad ist weitergerückt. Und wenn sich ein Zahnrad einmal vorwärts bewegt hat, lässt es sich nicht mehr zurückdrehen. Das ist das Gesetz der Welt.
    Aomame nahm die Pistole, richtete sie auf sich und steckte sich den Lauf in den Mund. Hart und kalt fühlte sich der Stahl an ihren Vorderzähnen an. Es schmeckte nach Schmieröl. Jetzt könnte sie sich das Gehirn wegblasen. Sie bräuchte nur den Hahn zu spannen und den Abzug zu drücken. Und alles wäre sofort zu Ende. Sie müsste nicht mehr

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