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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Mädchen vielleicht das Geheimnis lüften, erfahren, welche Rolle es selbst spielte und was diese Mother-Daughter-Geschichte bedeutete. Womöglich wäre dann auch der verlorene Toru noch zu retten. Das Mädchen begann also an einem Durchgang zu arbeiten. Es besaß die Fähigkeit, die Fäden aus der Luft zu holen und eine Puppe daraus zu spinnen. Aber es brauchte Zeit dazu. Wenn es die hatte, würde es ihm gelingen.
    Dennoch wusste es manchmal nicht weiter. Wurde von Verwirrung ergriffen. Ob ich wirklich die Mother bin? Nicht doch irgendwo mit der Daughter vertauscht wurde? Je mehr das Mädchen darüber nachdachte, desto weniger überzeugt war es. Wie konnte es feststellen, dass es wirklich es selbst war?
    Die Geschichte endete symbolisch damit, dass das Mädchen die Tür zu dem Durchgang zu öffnen versuchte. Was hinter dieser Tür geschah, wurde nicht mehr geschildert. Vielleicht war es etwas, das sich noch nicht ereignet hatte.
    Daughter, dachte Aomame. Auch der Leader hatte das Wort verwendet, bevor er gestorben war. Um gegen die Little People vorzugehen, sei seine Tochter geflohen und habe ihre Daughter zurückgelassen. Wahrscheinlich war das wirklich passiert. Und Aomame war nicht die Einzige, die die beiden Monde sah.
    Sie glaubte nun den Grund dafür zu kennen, dass dieser Roman so gut aufgenommen und so viel gelesen wurde. Auf einer gewissen Ebene tat natürlich auch der Umstand, dass die Autorin ein schönes siebzehnjähriges Mädchen war, seine Wirkung. Aber so etwas allein machte ein Buch nicht zum Bestseller. Unzweifelhaft war es die lebendige Dichte der Schilderung, die die Faszination dieses Romans ausmachte. Sie versetzte die Leser in die Lage, den Kosmos, in dem das Mädchen sich befand, ganz unmittelbar und frisch aus seinem Blickwinkel zu erleben. Die Geschichte handelte zwar von surrealen Erlebnissen in einer phantastischen Welt, rief jedoch natürliche Anteilnahme hervor. Wahrscheinlich weckte die Geschichte Empfindungen, die sich unterhalb der bewussten Ebene abspielten. Die Leser gerieten in den Sog dieser Empfindungen und verschlangen das Buch.
    Zur literarischen Qualität hatte wahrscheinlich Tengo das meiste beigetragen, aber sie konnte nicht ewig hier sitzen und sie bewundern. Sie musste die Geschichte auf die Passagen hin lesen, in denen die Little People auftraten, denn für Aomame waren die Ereignisse äußerst real, für sie ging es um Leben und Tod. Der Text konnte eine Art Handbuch für sie werden, aus dem sie notwendige Erkenntnisse und das Know-how für ihr weiteres Vorgehen gewann. Sie musste die Bedeutung der Welt, in die sie verstrickt war, möglichst genau und konkret aus ihm herauslesen.
    Die Puppe aus Luft war nicht, wie die Leute glaubten, das Produkt der überschäumenden Phantasie einer Siebzehnjährigen. Ungeachtet der geänderten Namen entsprach der größte Teil des Geschilderten einer unverfälschten Wirklichkeit, der dieses Mädchen persönlich entkommen war – davon war Aomame inzwischen überzeugt. Fukaeri hatte nur das, was sie erlebt hatte, möglichst exakt aufgezeichnet. Um der Welt das verborgene Geheimnis zu enthüllen. Um möglichst viele Menschen von der Existenz der Little People und ihrem Tun in Kenntnis zu setzen.
    Die Daughter, die das Mädchen zurückgelassen hatte, war wahrscheinlich zu einem Durchgang für die Little People geworden und hatte sie zu seinem Vater, dem Leader, geführt. Darauf hatten sie diesen Mann in einen Receiver, also Empfänger, verwandelt und die nun überflüssige Gruppe Akebono in die blutige Selbstvernichtung getrieben, um anschließend die übrig gebliebenen Vorreiter in eine smarte, extreme und exklusive religiöse Sekte zu transformieren – ein für die Little People sicherlich höchst angenehmes und günstiges Umfeld.
    Ob Fukaeris Daughter ohne sie überleben würde? Den Little People zufolge sei das über längere Zeit kaum möglich.
    Nach Fukaeris Flucht hatten die Little People wahrscheinlich mit der gleichen Methode weitere Daughters innerhalb der Vorreiter geschaffen. Vermutlich war es ihr Ziel, die Passage, durch die sie kommen und gehen konnten, zu verbreitern und zu stabilisieren. Wie man eine Straße durch neue Fahrspuren erweitert. Auf diese Weise hatten die Little People mehrere Perceiver (»wahrnehmende Wesen«) zur Verfügung, die zugleich als eine Art Priesterinnen dienten. Auch Tsubasa war eine davon. Wenn man in Betracht zog, dass es nicht die Mothers waren, sondern die Daughters, die sexuell mit dem Leader

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