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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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lang ins Gesicht. »Das heißt also, Sie haben verschiedene Beweggründe«, sagte er dann. »Aber um Reichtum und Ruhm geht es keinem von Ihnen beiden.«
    »So verhält es sich wohl.«
    »Doch egal was die Beweggründe sind, der Plan ist höchst riskant. Sie sagen es ja selbst. Sollte irgendwann die Wahrheit ans Licht kommen, wird es zweifellos einen Skandal geben. Und die Vorwürfe der Öffentlichkeit werden nicht nur an Ihnen beiden hängenbleiben. Eri ist erst siebzehn, und so eine Sache könnte ihr für ihr ganzes Leben schaden. Das ist es, was mich an der ganzen Sache am meisten beunruhigt.«
    »Es ist ganz natürlich, dass Sie sich Sorgen machen.« Tengo nickte. »Sie haben völlig recht.«
    Die Lücke zwischen den pechschwarzen dichten Augenbrauen verringerte sich auf etwa einen Zentimeter. »Dennoch wollen Sie, auch wenn Eri dadurch in Gefahr gerät, ›Die Puppe aus Luft‹ eigenhändig umarbeiten.«
    »Wie ich schon sagte, hat mein Drang nichts mit Vernunft oder gesundem Menschenverstand zu tun. Selbstverständlich ist es auch mein Wunsch, Eri so gut wie möglich zu schützen. Aber dass sie nicht dennoch in Gefahr gerät, kann ich nicht garantieren. Ich würde lügen, wenn ich es täte.«
    »Ich verstehe«, sagte der Sensei und räusperte sich, wie um das Thema abzuschließen. »Auf jeden Fall scheinen Sie ein ehrlicher Mensch zu sein.«
    »Ich bemühe mich, so offen wie möglich zu sein.«
    Der Sensei betrachtete seine Hände, die auf seinen Knien ruhten, als sehe er sie zum ersten Mal. Er blickte auf die Handrücken, drehte sie um und starrte dann auf seine Handflächen. Schließlich hob er den Kopf. »Und dieser Redakteur, Komatsu heißt er wohl – er glaubt, sein Plan wird tatsächlich funktionieren?«
    »Sein Motto lautet ›Alles hat zwei Seiten‹«, sagte Tengo. »›Eine gute und eine, die gar nicht so schlecht ist.‹«
    Der Sensei lachte. »Eine originelle Ansicht. Dieser Komatsu muss ein unverbesserlicher Optimist sein oder ein gewaltiges Selbstvertrauen haben.«
    »Keins von beidem. Er ist nur ein Zyniker.«
    Der Sensei schüttelte leicht den Kopf. »Zyniker sind entweder Optimisten oder übermäßig selbstbewusst. Ist es bei ihm nicht so?«
    »Er hat so eine Neigung.«
    »Er ist wohl ein recht schwieriger Mensch?«
    »Ja, ziemlich«, sagte Tengo. »Aber er ist nicht dumm.«
    Der Sensei stieß einen langen Seufzer aus. Dann wandte er sich an Fukaeri. »Was meinst du, Eri? Was hältst du von dem Plan?«
    Fukaeri schaute eine Weile auf einen undefinierbaren Punkt im Raum. »In Ordnung«, sagte sie dann.
    Der Sensei ergänzte Fukaeris einfache Ausdrucksweise. »Das heißt also, es würde dir nichts ausmachen, wenn er ›Die Puppe aus Luft‹ überarbeitet?«
    »Nein«, sagte Fukaeri.
    »Es könnte sein, dass du deshalb Schwierigkeiten bekommst.«
    Darauf gab Fukaeri keine Antwort. Sie zog nur den Kragen ihrer Jacke noch enger um sich. Doch mit dieser Bewegung demonstrierte sie ganz unverhohlen die Unerschütterlichkeit ihres Entschlusses.
    »Vielleicht hat sie recht«, sagte der Sensei ergeben.
    Tengo blickte auf Fukaeris kleine zu Fäusten geballte Hände.
    »Aber es gibt da noch ein Problem«, sagte der Sensei zu Tengo. »Sie und dieser Komatsu wollen ›Die Puppe aus Luft‹ groß herausbringen und Eri als Schriftstellerin präsentieren. Aber sie leidet an einer Leseschwäche. Sie ist Legasthenikerin. Das wissen Sie schon, oder?«
    »Sie hat mir in der Bahn davon erzählt.«
    »Wahrscheinlich ist ihre Legasthenie angeboren. Deshalb hat man in der Schule immer geglaubt, sie sei irgendwie zurückgeblieben, dabei ist sie in Wirklichkeit ein sehr intelligentes Mädchen. Sie verfügt über tiefe Weisheit. Aber dass sie trotz allem Legasthenikerin ist, wird sich wohl, gelinde ausgedrückt, nicht gerade positiv auf den Plan auswirken, den Sie sich da ausgedacht haben.«
    »Wie viele Menschen wissen davon?«
    »Außer ihr selbst noch drei«, sagte der Sensei. »Ich und meine Tochter Azami. Und jetzt noch Sie. Sonst niemand.«
    »Und die Lehrer an der Schule, auf der Eri war, wissen nichts davon?«
    »Nein. Es ist eine kleine Dorfschule. Vermutlich haben sie das Wort Legasthenie noch nie gehört. Außerdem ist sie nur ganz kurz auf diese Schule gegangen.«
    »Dann können wir die Sache vielleicht unter Verschluss halten.«
    Einen Moment lang sah es so aus, als würde der Sensei Tengos Miene abschätzen.
    »Aus irgendeinem Grund scheint Eri Ihnen zu vertrauen«, sagte er dann. »Warum, weiß ich nicht.

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