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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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bekommen einen spannenden Fall nach dem anderen. Die Vorgesetzten reden vornherum munter von Chancengleichheit, aber in Wirklichkeit ist das nicht so einfach. Da vergeht einem jeder Ehrgeiz und jede Motivation. Verstehst du?«
    Aomame pflichtete ihr bei.
    »Das macht mich echt wütend!«
    »Hast du keinen Freund oder so was?«
    Ayumi runzelte die Stirn und starrte bitter auf die schlanke Zigarette zwischen ihren Fingern. »Als Polizistin eine Beziehung zu haben ist total kompliziert. Der Dienst ist so unregelmäßig, dass ich mich kaum mit jemandem treffen kann, der normale Arbeitszeiten hat. Und selbst wenn ich es irgendwie schaffe, machen die ›normalen‹ Männer einen flotten Rückzieher, sobald sie erfahren, dass ich Polizistin bin. Wie Krebse, die sich an den Strand flüchten. Grässlich, oder?«
    Aomame nickte zustimmend.
    »Das Einzige, was einem übrig bleibt, wäre die Beziehung zu einem Kollegen, aber die meisten von denen sind das Letzte. Irgendwelche impotenten Typen, die nichts als dreckige Witze machen können. Entweder sie sind dumm geboren oder sie denken nur an ihre Beförderung oder beides. Und solche Kerle tragen die Verantwortung für die Sicherheit unserer Gesellschaft. Düstere Aussichten für Japans Zukunft.«
    »Aber du bist so hübsch. Das fällt doch bestimmt vielen Männern auf«, sagte Aomame.
    »Das bringt mir auch nur etwas, solange ich ihnen meinen Beruf nicht verrate. Deshalb habe ich beschlossen, mich hier immer als Versicherungsangestellte auszugeben.«
    »Kommst du oft her?«
    » Oft würde ich nicht sagen. Ab und zu.« Ayumi überlegte kurz. »Manchmal habe ich das Bedürfnis nach Sex«, gab sie dann zu. »Deutlich ausgedrückt: Ich brauche einen Mann. Hat wohl was mit dem Zyklus zu tun. Ich ziehe mir sexy Unterwäsche an, komme hierher, trinke was und suche mir einen passenden Typen für eine Nacht. Dann habe ich wieder eine Weile Ruhe. Ich habe ganz normale Bedürfnisse, keine ausgefallenen Gelüste oder sexuellen Manien. Mir genügt es, mich ab und an zu entladen. Ohne dass sich daraus irgendwelche Folgen ergeben. Am nächsten Morgen gehe ich dann wieder auf die Jagd nach Falschparkern. Und du?«
    Aomame griff nach ihrem Tom Collins und nippte langsam daran. »Tja. Im Grunde ist es bei mir das Gleiche.«
    »Keine feste Beziehung?«
    »Ich habe mich dagegen entschieden. Zu umständlich.«
    »Ein fester Freund macht eben Umstände.«
    »So ist es wohl.«
    »Aber manchmal will ich es so sehr, dass ich es nicht mehr aushalten kann«, sagte Ayumi.
    »Das Wort, das du benutzt hast – entladen –, gefällt mir. Es passt genau.«
    »Es mal richtig krachen lassen?«
    »Ist auch nicht schlecht.«
    »Jedenfalls eine Sache für eine Nacht, die keine Folgen hat.«
    Aomame nickte.
    Die Wange in die Hand gestützt, dachte Ayumi nach. »Wir haben eine Menge gemeinsam, oder?«
    »Scheint so«, gab Aomame zu. Nur dass du Polizistin bist und ich Menschen töte, dachte sie. Du stehst innerhalb und ich außerhalb des Gesetzes. Das ist ein ziemlich großer Unterschied, was?
    »Lass es uns so machen«, sagte Ayumi. »Also: Wir arbeiten bei der gleichen Schadensversicherung. Der Name der Firma bleibt geheim. Du bist meine Vorgesetzte, ich die etwas jüngere Untergebene. Heute war es in der Firma so stinklangweilig, dass wir uns zur Abwechslung hier einen hinter die Binde gießen wollen. Dabei haben wir vergleichsweise gute Laune bekommen. Wie findest du das?«
    »Nicht schlecht, aber ich habe so gut wie keine Ahnung von Schadensversicherungen.«
    »Das kannst du mir überlassen. Geschichten erfinden ist meine größte Stärke.«
    »Ich überlasse alles dir«, sagte Aomame.
    »Übrigens sitzen an dem Tisch direkt hinter uns zwei mittelalte Knaben. Die werfen schon die ganze Zeit mit hungrigen Blicken um sich«, flüsterte Ayumi. »Dreh dich doch mal ganz unauffällig um und schau sie dir an.«
    Aomame wandte sich beiläufig in diese Richtung. Am übernächsten Tisch saßen zwei Männer mittleren Alters in Anzug und Krawatte. Offenbar Angestellte, die ihren Feierabend hier verbrachten. Ihre Anzüge wirkten nicht abgetragen und auch die Krawatten nicht geschmacklos. Jedenfalls sahen sie nicht ungepflegt aus. Der eine musste etwa Mitte vierzig sein, der andere Ende dreißig.
    Der Ältere war sehr schlank. Er hatte ein schmales Gesicht und einen zurückweichenden Haaransatz. Der Jüngere war ein Typ, der früher wahrscheinlich in der Rugbymannschaft seiner Universität gespielt, aber inzwischen durch

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