1Q84: Buch 3
nachdenken.
Er trat aus dem Haus und schaute sich aufmerksam um. Wenn er Fukaeri Glauben schenkte, wurde er beobachtet. Doch wie beim letzten Mal auch vermittelte nichts diesen Eindruck. Alles sah genauso aus wie immer. Jetzt, nach Sonnenuntergang, waren die Straßen wie leergefegt. Zunächst ging er langsam in Richtung Bahnhof. Um sich zu vergewissern, dass niemand ihm folgte, drehte er sich ein paarmal um. Er schlug einige Haken, indem er in kleine Straßen abbog, blieb stehen und wandte sich um. Wurde er wirklich nicht beschattet? Er müsse auf der Hut sein, hatte der Mann am Telefon gesagt. Um seiner selbst willen, aber auch wegen Aomame, die sich in einer angespannten Situation befand.
ABER IST DER MANN, DER MICH ANGERUFEN HAT, WIRKLICH EIN BEKANNTER VON AOMAME?, fragte Tengo sich plötzlich. Vielleicht war alles nur eine raffinierte Falle? Während er über diese Möglichkeit nachdachte, wurde Tengo immer unsicherer. Wenn es eine Falle war, konnten nur die Vorreiter sie gestellt haben. Als Ghostwriter von Die Puppe aus Luft stand Tengo wahrscheinlich (oder vielmehr ganz bestimmt) auf ihrer schwarzen Liste. Genau deshalb hatte ihn dieser merkwürdige Ushikawa im Auftrag der Sekte mit dem ominösen Stipendium verfolgt. Außerdem hatte Tengo Fukaeri drei Monate lang in seiner Wohnung beherbergt und mit ihr zusammengelebt – auch wenn es nicht auf seine Initiative geschehen war. Die Sekte hatte genügend Gründe, um einen Groll gegen ihn zu hegen.
Aber warum sollten sie ausgerechnet Aomame als Köder verwenden, um ihn in die Falle zu locken? Sie wussten doch bereits, wo er sich aufhielt. Er hatte sich ja gar nicht entzogen. Falls sie etwas von ihm wollten, konnten sie sich direkt an ihn wenden. Es war überflüssig, ihn eigens zur Rutschbahn auf einem Kinderspielplatz zu locken. Natürlich konnte es auch umgekehrt sein, und sie benutzten Tengo als Köder, um Aomame hervorzulocken.
ABER WARUM SOLLTEN SIE AOMAME HERVORLOCKEN?
Er konnte keinen Grund dafür entdecken. Bestand möglicherweise eine Verbindung zwischen Aomame und den Vorreitern? Aber Spekulationen brachten ihn nicht weiter. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sie persönlich zu fragen. Das hieß, falls ihre Begegnung zustande käme.
In jedem Fall hatte der Mann am Telefon recht, er konnte nicht vorsichtig genug sein. Tengo schlug einen weiteren Haken und ging, als er sicher war, dass niemand ihm folgte, mit raschen Schritten auf den Park zu.
Um sieben Minuten vor sieben kam er am Spielplatz an. Es war schon dunkel, und das gleichmäßige, künstliche Licht der Quecksilberlaterne ergoss sich in jeden Winkel des kleinen Parks. Es war ein warmer, schöner Nachmittag gewesen, aber nach Sonnenuntergang fiel die Temperatur abrupt, und ein kalter Wind erhob sich. Das heitere, milde Herbstwetter, das mehrere Tage angedauert hatte, verabschiedete sich, und der Winter kehrte mit aller Strenge zurück. Knackend bewegten sich die Äste des Keyaki-Baums im Wind wie die mahnend erhobenen Finger eines alten Weisen.
Einige Fenster in den umliegenden Gebäuden waren beleuchtet. Aber im Park war niemand zu sehen. Tengos Herz schlug unter seiner Lederjacke in einem langsamen, feierlichen Rhythmus. Immer wieder rieb er sich die Hände, um sich zu vergewissern, dass sie sich normal anfühlten. Alles in Ordnung, ich bin bereit. Es gibt nichts zu befürchten. Entschlossen stieg Tengo die Stufen der Rutschbahn hinauf.
Oben angekommen, ließ er sich in der gleichen Haltung wie beim letzten Mal nieder. Die Plattform war ausgekühlt und fühlte sich leicht feucht an. Er steckte die Hände in die Taschen seiner Lederjacke, lehnte sich an das Geländer und schaute hinauf. Am Himmel zogen verschiedene Wolken dahin, große und kleine. Tengo kniff die Augen zusammen und suchte nach den Monden, die jedoch gerade hinter den Wolken verborgen waren, auch wenn diese nicht sehr dick, sondern eher leicht und weiß waren. Dennoch besaßen sie genügend Dichte und Masse, um die Monde zu verdecken. Sie wanderten in mäßigem Tempo von Norden nach Süden. Der Wind dort oben schien nicht sehr stark zu sein. Vielleicht zogen die Wolken auch in großer Höhe dahin. Jedenfalls hatten sie es nicht eilig.
Tengo sah auf die Uhr. Drei Minuten nach sieben. Der Sekundenzeiger rückte in präzisen Abständen vorwärts. Von Aomame war noch nichts zu sehen. Tengo verfolgte einige Minuten lang den Sekundenzeiger wie etwas sehr Außergewöhnliches. Dann schloss er die Augen. Wie die vom Wind
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