1WTC
öffnet dann aber doch die Tür. Holz mit Messingbeschlag. Sunner sitzt wie üblich an dem Tisch in der Ecke. Als er Tom sieht, grinst er ihn an. Er reicht ihm die Hand und klopft ihm kräftig auf den Rücken.
»Was ist los, du siehst nicht gut aus.«
»Ärger mit meiner Freundin. Mit meiner Exfreundin. Sie hat Schluss gemacht.«
»Das tut mir leid. Bier?«
»Ja, gerne. Wenigstens hat das mit SOM geklappt, ich bin jetzt Architekt am World Trade Center.«
»Gut.« Sunner macht eine Pause. »Gut. Aber ich wollte dich wegen was anderem treffen. Ich brauche deine Hilfe. Damals, als wir im Irak waren, da hattest du mal so eine Idee …«
Scheiße. Tom weiß sofort, worauf Sunner anspielt. Eine alte Geschichte aus dem Krieg. In Toms Einheit waren Informationen das Ein und Alles. Wer, wo, was. Es gab viele Wege der Informationsbeschaffung, und auch wenn Tom nicht direkt daran beteiligt war, wusste er doch genug über die Methoden, die dabei zur Anwendung kamen. Schließlich wurde jede Aussage in den Lagebesprechungen auch danach eingeordnet, unter welchen Bedingungen sie gewonnen wurde.
Die Idee, auf die Sunner anspielte, kam Tom während einer Schulung über Terroranschläge. Der Referent berichtete, dass islamische Selbstmordattentäter davon ausgingen, ins Paradies zu kommen, wo ihnen unter anderem willige Jungfrauen zur Verfügung stünden. Tom hat noch immer das schmutzige Lachen der anderen Soldaten im Ohr, als der Kursleiter ihnen empfahl, deshalb besonders auf lüstern blickende Passanten zu achten.
Und so kam Tom auf die Idee, die Folterkammern der Gefängnisse in künstliche Paradiese zu verwandeln. Ein bisschen foltern, ein bisschen Schlaftabletten, dann ein paar heiße Frauen, und schon würden die Terroristen denken, sie seien am Ziel ihrer Reise angelangt. Vielleicht würden sie dann den anderen von ihren irdischen Heldentaten berichten.
Zum Zeitvertreib hatte Tom damals angefangen, Entwürfe für das Paradies zu zeichnen. Zitate islamischer Architektur, Möbel, Landschaftsskizzen. Und dazwischen ein paar nackte Frauen. Ein Spaß für die Kameraden.
»Was wollen Sie denn damit, Sir?«
»Wir machen das, Tom. Erst mal als Test, in Polen.« Sunner nimmt einen Schluck Bier. »Zeichnest du die Pläne?«
Tom schaut ihn erschrocken an. »Sir, Sie wollen das wirklich realisieren? Das geht doch gar nicht. Das war doch immer ein … Außerdem bin ich doch jetzt bei SOM, da hab ich dafür gar keine Zeit.«
»Ich weiß, das sollte damals ein Scherz sein. Ausdruck deiner Verzweiflung und deiner Wut über die Folter. Aber diese Idee, Tom, diese Idee ist einfach genial! Und nun setzen wir sie um. Endlich.« Er legt Tom die Hand auf die Schulter. »Um den Job bei SOM musst du dir keine Gedanken machen. Du kannst die Pläne im Büro zeichnen. Darum kümmern wir uns.«
»Okay, Sir. Wenn Sie das sagen …«
Tom ist verwirrt. Das ist ihm alles zu viel. Ein neuer Job, die Trennung von Jennifer und jetzt auch noch Sunner mit so einem Projekt.
»Gut. Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.«
Mikael ist auf dem Weg zu einer Ausstellungseröffnung in Chelsea. Eigentlich ist es keine Eröffnung, sondern eine eintägige Ausstellung. »Just Art« ist der Titel der Wohltätigkeitsveranstaltung. Der Erlös aus dem Verkauf der Kunstwerke kommt der Civil Liberties Union zugute.
Mikael hofft, dort Gleichgesinnte zu treffen, schließlich bereitet die Civil Liberties Union eine Klage gegen den Staat New York vor, mit der sie die Installation neuer Überwachungskameras verhindern oder zumindest eine öffentliche Debatte entfachen will.
Ursprünglich wollte er mit Syana hingehen, aber die hat keine Zeit. Sie will an ihrem Projekt arbeiten und ist nach Detroit geflogen, um sich mit einigen Programmierern zusammenzusetzen. Wie lange sie weg sein wird, ist noch unklar. Also geht er alleine.
Auch Tom macht sich auf dem Weg in die Galerie nach Chelsea. Jennifer hat ihm die Adresse geschickt. Ohne Kommentar. Warum er dort hinkommen soll, weiß er nicht. Eigentlich hasst Tom es, mit Jennifer Ausstellungseröffnungen zu besuchen. Einen ganzen Abend Smalltalk mit ihren Freundinnen und Verehrern, die hintenrum doch nur den Kopf über ihn schütteln. Vielleicht ist sie unsicher und will der Beziehung noch mal eine Chance geben? Aussprache und Versöhnung? Einen Versuch ist es wert.
Die Ausstellung findet im Twelve21 Art Space statt, einem der vielen neuen Kunsträume, die in den letzten Jahren in Chelsea entstanden sind. Vor dem
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