2 Heaven
draußen.
Wütend überlegte Charlotte, wie sie ihn wieder einfangen konnte. Warum war sie nur so ungeschickt?
„Ich würde gern etwas mehr über dich erfahren, Justin. Kannst du mir nicht ein wenig über dich erzählen? Wenn ich dich darum bitte?"
Er schaute sie an, misstrauisch, aber nicht ohne Interesse. „Warum? Wollen Sie mich als Anschauungsobjekt nutzen?" Er seufzte. „Glauben Sie vielleicht, ich bin krank?" Charlotte schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, auf keinen Fall, Justin. Aber ich bin noch niemals zuvor einem Menschen wie dir begegnet, und ich gebe zu, aus psychologischer Sicht bist du ein sehr interessanter Fall."
„Ein Fall?" Er runzelte missbilligend die Stirn. „Wie charmant." Er grinste leicht. „Aber meinetwegen, Charlotte, ich tue Ihnen den Gefallen. Wenn Sie meine Geschichte unbedingt hören wollen ..."
Sie nickte. Der Junge wurde ihr immer sympathischer. „Es war an einem grauen, verregneten Tag, irgendwann vor drei Jahren", begann er. „Ich war ziemlich mies drauf an dem Tag, stand in der Old Compton Street in Soho. Sie wissen schon ..."
Charlotte horchte auf. „Nein, ich komme nicht von hier."
Er wand sich etwas. „Da ... ahm, naja, da gibt es eine Menge Shops und Szenebars ... und Jungs ..."
Jetzt erst dämmerte ihr, was er meinte. Aber - konnte das sein? Hatte Dämon einen Stricher bei sich aufgenommen? Stand er vielleicht schon immer auf Jungs?
„Du warst ... ein Stricher?", fragte sie erstaunt, um sich zu vergewissern.
Er nickte knapp. „Und an dem Tag war ich auf einem echt schlechten Trip, hab nicht mehr viel mitbekommen. Ich bin dann einfach zwischen zwei Autos durch über die Straße. Dämon war nicht besonders schnell, hätte mich wohl das Leben gekostet, wäre er nicht so nachdenklich gewesen. Ich habe mich jedenfalls nicht sehr elegant von seiner Motorhaube abgerollt."
... Der Schmerz, der Justins Körper durchzuckte, war gedämpft, als hätte er einen Schutzanzug angehabt. Regungslos blieb er auf der Straße liegen. Für einen Moment dachte er, er sei tot. Entsetzt sprang Dämon aus seinem Wagen. Warum hatte er den Jungen nicht gesehen? Mein Gott, wenn ihm etwas passiert war?! Das fehlte ihm jetzt noch! Mit klopfendem Herzen beugte er sich zu der zarten Gestalt hinunter und sah, dass der Junge ihn anstarrte. „Hey, bist du okay?"
Justin starrte ihn weiterhin an. Nein, dachte er - langsam wieder zu Bewusstsein kommend - ich habe 'nen schlechten Trip eingeworfen, und mir ist sauübel.
„Bist du verletzt? Kannst du aufstehen?" Dämon kniete sich besorgt neben ihn nieder.
Langsam, sehr langsam richtete Justin sich auf. „Nee, alles in Ordnung", sagte er mit schleppender Stimme. Er versuchte aufzustehen, was ihm jedoch nicht gelang.
„Möchtest du ins Krankenhaus oder zum Arzt?"
Justin winkte ab. „Auf keinen Fall."
„Soll ich dich nach Hause fahren?"
Seine Augen weiteten sich ungläubig. „Nach Hause?"
Dämon nickte irritiert. Erst jetzt sah er genauer hin, wen er da eigentlich angefahren hatte. Der Junge trug eine enge, abgewetzte Jeans und ein zu kleines T-Shirt, das einen exquisiten Blick auf seinen nackten Bauch gestattete. Er hatte kurze, dunkelrot gefärbte Haare und ein sehr hübsches, schmales Gesicht. Neben ihm erschien eine weitere schlanke Gestalt.
„Ist er in Ordnung?"
Dämon fuhr zusammen, als er die sanfte, junge Stimme hörte. Für einen Moment hatte er den Eindruck, auf einem anderen Planeten gelandet zu sein.
„Geht schon", krächzte der noch immer am Boden Liegende und versuchte noch einmal aufzustehen.
Der zweite Junge, der vermutlich auch nicht älter als vierzehn war, nickte. Als er Dämons fassungslosen Blick sah, schob er das Kinn ein wenig nach vorn.
„Nehm' Sie ihn trotzdem, Sir?" Es klang merkwürdig spöttisch.
Dämon schluckte. Was sollte das bedeuten? - Wie automatisch umschlang er den schmalen Körper, der offensichtlich aus eigener Kraft nicht auf die Füße kam und zog ihn mit sich hoch.
„Der ist nich' auf H, echt nich'. Der is' clean", sagte der andere Junge nun, als würde er eine Ware anpreisen. „Mann, Robin, du Sack, lass gut sein. Ich ... mir tut alles weh. Ich kann jetzt eh nicht."
Darin schien Robin nun seine Chance zu sehen. „Nun, wenn Justin momentan unpässlich ist - vielleicht möchten Sie dann mich?"
Dämon schüttelte den Kopf, teils um dieses Angebot abzulehnen, teils um seine Erstarrung abzuschütteln. Er lehnte den Knaben, der noch immer in seinen Armen hing, gegen seinen
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