2 Heaven
wollte er in die Tat umsetzen - doch er hatte seine Rechnung ohne Justin gemacht. Dieser hatte sich nämlich ein wenig von den anderen abgesetzt. Der schmächtige Junge hatte nicht Kershaws Aufmerksamkeit erregt. Der große muskulöse und obendrein bewaffnete Mann hätte sich niemals träumen lassen, dass von dem Jungen eine Gefahr ausgehen könnte. Ein Fehler!
Justin warf sein Messer aus einer Entfernung von vielleicht zwei Metern - und er verfehlte sein Ziel nicht. Die Klinge bohrte sich tief seitlich in Kershaws Hals. Der Mann war zu erschrocken, um zu reagieren. Justin warf sich zwar sofort zur Seite, doch Kershaw war nicht mehr in der Lage zu schießen. Er röchelte, fiel auf die Knie.
Cris sah, wie sich seine Augen verdrehten, er schien erstaunt, als der Schmerz kam. Dann brach er zusammen. Er war tot.
Das alles war in Sekundenschnelle passiert. Es dauerte, bis sie begriffen, was Justin getan hatte. Das Schweigen, das sich ausbreitete, füllte die ganze Eingangshalle.
Cris fasste sich als Erster wieder. „Wow!" Mehr fiel ihm in diesem Moment auch nicht ein. Er hatte zwar gesehen, wie gut Justin mit dem Messer umgehen konnte, doch er hätte nie mit soviel Geistesgegenwart gerechnet - und auch nicht damit, dass Justin bereit war, einen Menschen einfach zu töten.
Justin starrte ihn an, dann den toten Peter Kershaw. Er schien auch noch nicht zu begreifen, was geschehen war.
Gwen räusperte sich. „Ich hole eine Decke und rufe den Krankenwagen." Ihre Stimme klang rau. Justin hatte sie gerettet - im letzten Augenblick. Kershaw hätte sie alle umgebracht. Mein Gott, er hätte sie kaltblütig abgeknallt!
Sie verschwand im Kontrollbüro und kam nach kurzer Zeit mit einer Decke wieder.
Cris wickelte seinen Bruder in eine Decke. Er war schon ganz kalt und zitterte so heftig, dass Cris ihn kaum festhalten konnte.
Justin kam näher. Er war ebenfalls weiß wie eine Wand.
„Ich habe ihn umgebracht", flüsterte er.
Cris sah zu ihm auf. „Ja, du hast uns das Leben gerettet!"
Justin schwankte.
Doch Gwen war gleich bei ihm. „Setz dich erstmal hin, Junge."
Er nickte, setzte sich neben Cris und Dämon auf den Fußboden.
Gwen rief über Handy einen Arzt und die Feuerwehr. Wer wusste schon, was die Explosion an Schaden angerichtet hatte? Und dann waren da immer noch die tödlichen Gase im Labor. Vielleicht konnten sie jetzt austreten und auch die oberen Etagen vergiften?
Es dauerte eine Zeit, bis sie dem Mann am anderen Ende der Leitung alles erklärt hatte.
„Crispin?"
Cris schaute sie an. „Ja?"
„Wo haben sie Charlotte hingebracht?"
„Ich ... ich weiß nicht. Ich meine, sie haben sie in irgendein Büro eingesperrt!"
„Dann werde ich sie jetzt suchen."
Jason kam aufgeregt in das Wohnzimmer gelaufen, in dem Thomas und Anne saßen.
„Was ist, Jason?", fragte Anne sofort und ging dem Jungen entgegen. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. Er war blass.
„Passiert ... es passiert ..." „Was meinst du damit, Jason?" Doch er schien sie nicht zu hören.
„Mein Zuhause ... ist ... weg!" Ungläubig starrte der kleine Junge ins Leere.
Anne sah ihn erstaunt an. „Bitte?"
„Alle weg. Die bösen Leute sind nicht mehr da."
„Was meinst du, Jason?"
„Krankenhaus."
Irgendwoher war dieses Wort gekommen.
„Krankenhaus", wiederholte er.
„Warum? Bist du krank? Hast du vielleicht Fieber?"
Thomas nahm den kleinen Jungen auf den Arm und befühlte seine Stirn. „Meine Güte, du glühst ja wie eine Herdplatte."
„Aber eben ging es ihm doch noch ganz gut." Thomas sah sie ratlos an. „Also, ich denke nicht, dass wir gleich mit ihm ins Krankenhaus müssen. Vielleicht hat er sich nur ein bisschen erkältet."
Jason schwieg und wartete, ob noch weitere Bilder ihn überfluteten. Doch nichts passierte.
Es dauerte nicht lange, bis der Arzt und die Feuerwehr eintrafen.
Gwen hatte Charly in einem der Büroräume gefunden. Sie war übel zugerichtet. Ihr rechtes Auge war blau und zugeschwollen. Sie hatte eine kleine Platzwunde an der Schläfe. Doch das alles erschien ihr zweitrangig. Sie musste zu Dämon und Cris.
Gwen hatte die Situation mittlerweile unter Kontrolle. Sie hatte sogar die Eingangstür für die eintreffende Feuerwehr und den Arzt öffnen können.
Der Arzt, ein junger Mann, der kaum älter war als sie selbst, hatte schon viele merkwürdige Situationen gesehen, doch dies hier waren wohl die ungewöhnlichsten Umstände, in denen er bisher seine Patienten hatte versorgen
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