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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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und breitschultrig, mit blonden Haaren und blauen Augen. Die klassischen Wikinger vom Ende des 20., Anfang des 21. Jahrhunderts. Alle mit den gleichen Alaska-Jacken und gleichen Taschen. Das unbedeckte Haar war zerzaust, und irgendetwas sagte mir-. Das lag keinesfalls am Wind.
    Warum sie in ihrer Menschen- und nicht in ihrer Zwielichtgestalt auftraten, begriff ich nicht auf Anhieb. Erst als ich sie mir in der Menschenwelt angesehen und irritiert gelacht hatte, wurde mir klar: Der Zwielichtgestalt, diesem unterbewussten Traum eines Anderen, sind keine Grenzen gesetzt...
    Sie gingen, ja, sie rannten fast durch den Saal, wollten an mir vorbei, zum Ausgang. Dorthin, wo als greller Lichtpunkt vor der Abfertigungshalle ein Parkplatz zu erkennen war.
    An mir vorbei.
    Sie waren kaum bei mir angelangt, als von rechts mit einem Mal eine dunkelblaue Blume von der Größe eines Lasters der Marke Ural hochschoss. Alle, die sich im Zwielicht befanden, warf es zu Boden.
    Auf dem Rücken liegend, hob ich den Kopf leicht an. Ein blauer Schleier, vergleichbar mit einer gigantischen Ohrenqualle, hing schwabbelnd in der Luft. Trotzdem spürte ich: Dort, hinter dem durchscheinenden Vorhang, passierte jetzt etwas.
    Ich erahnte, dass in dem blauen Dunst ein Portal geöffnet worden war. Ganz in der Nähe, hinter der transparenten Trennwand, in der Halle mit der Gepäckausgabe. Ein weißes Leuchten brannte mir blendend in den Augen, und im Zwielicht wurde es ungewöhnlich hell, obwohl nach wie vor jeder Schatten fehlte. Das war ein fast gruseliger Anblick - das unerträglich grelle Licht und nicht die geringste Spur eines Schattens.
    Die Lichten kamen zu zweit. Der Chef der Nachtwache und eine junge, sympatische Frau. Eine Zauberin von
    »Ihr seid in meiner Macht«, sagte Geser laut und führte kurze sparsame Passes aus. »Steht auf!«
    Er wandte sich an die Wikinger. Auf mich, der ich am nächsten am Portal lag, achteten die Lichten nicht.
    Einer der Wikinger sagte etwas grimmig und knapp auf Englisch. Geser antwortete. Ich bedauerte bitter, kein Wort zu verstehen. Dann erhoben sich die Wikinger. Und drehten sich gehorsam dem Portal zu. Ich wollte ebenfalls aufstehen und schaffte es sogar, auf alle viere hochzukommen.
    Als der dritte Wikinger zu mir aufschloss, tauchte der vierte plötzlich tiefer ins Zwielicht ab.
    Geser reagierte sofort. Er warf ein magisches Netz auf uns und verschwand. Die Zauberin blieb zurück.
    Die übrigen drei Wikinger waren an Ort und Stelle festgenagelt. Auch mich warf es aus meiner Hockstellung erneut zu Boden, diesmal mit dem Gesicht nach unten. Wie ein Frosch auf der Autobahn. Ich hatte das Gefühl, von einem vorbeifahrenden Kipplaster sei eine Betonplatte auf mich gekracht - ich konnte weder atmen noch mich bewegen. Und Teufel auch, etwas bohrte sich schmerzhaft in meine Brust, irgendetwas Längliches und leicht Gebogenes.
    Mit der Nase auf dem Boden zu liegen war nicht sehr angenehm. Ich spannte mich an und drehte den Kopf.
    Mein Blick traf den des neben mir liegenden Wikingers.
    Der Frost durchdrang mich auf eine Weise, wie es nicht einmal der Moskauer Winter schaffte.
    Du!
    Ich...
    Du bist ein Anderer!
    Ja...
    Du dienst dem Dunkel...
    Gewiss...
    Bewahre das!
    Was?
    Doch der Wikinger hatte bereits die Augen geschlossen. Der wortlose Dialog hatte nur einen Sekundenbruchteil gedauert.
    Was sollte ich an mich nehmen? Dieses Mistding, das mir in die Rippen pikte?
    Die Zauberin warf vorsichtshalber eine weitere Platte auf uns. Die Wikinger krächzten mit gepresster Stimme auf, meiner Brust entrang sich ein ähnliches Stöhnen.
    Und dann dachte ich: Wie komme ich dazu?
    Ich schloss die Augen, konzentrierte mich auf die Suche nach Kraft - und nahm neben mir eine praktisch unerschöpfliche Quelle wahr: das noch immer offene Portal.
    Ach, wie einfach doch alles sein konnte! Die auf dem Strastnoi Boulevard verlorene Kraft zu ersetzen war eine Sache von wenigen Sekunden. Dass es sich bei dem Portal um ein lichtes handelte, störte mich nicht im Geringsten, denn die Natur der Kraft ist ohnehin ähnlich.
    So fing ich an, die Kraft des Portals zu trinken. Langsam, damit die Lichte nicht gleich bemerkte, was geschah.
    Als Erstes schob ich etwas von der Last von mir herrunter - was klappte, wobei ich noch nicht einmal sagen könnte, dass es sehr anstrengend gewesen wäre. Dann hüllte ich das, was unter mir lag, in einen Kokon. Und versteckte es, nach wie vor auf dem Boden liegend, unter meinem Hemd. Die Zauberin wurde

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