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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Schneebahn der Mondschneise.
    Schon bald merkte ich, dass ein Spaziergang durch eine Schneewehe ein zweifelhaftes Vergnügen war. Ich sollte mich zum Wald durchschlagen - ich überlegte mir, dass unter den Bäumen weniger Schnee liegen dürfte.
    Zu meinem Erstaunen hatte ich zu zweihundert Prozent Recht. Erstens gab es am Waldrand in der Tat keine Schneewehen, und zweitens stieß ich auf einen Pfad. Der recht gut ausgetrampelt war. Im Schatten hatte ich ihn zuvor einfach nicht wahrgenommen.
    Jemand aus dem Altertum hat einmal gesagt, dass die Wege stets zu denen führen, die sie angelegt haben. Und eine andre Wahl blieb mir sowieso nicht. Deshalb ging ich den Pfad entlang. Ging zunächst, bis ich dann lief, um warm zu werden.
    Ich laufe so lange, bis ich nicht mehr kann, nahm ich mir vor. Dann trete ich ins Zwielicht ein... um mich aufzuwärmen.
    Ich hoffte nur, dass meine Kräfte sowohl für den Lauf wie auch für das Zwielicht ausreichten.
    Ich lief fünfzehn Minuten. Es ging absolut kein Wind, weshalb mir sogar etwas warm wurde. Die Schneise zog sich immer und immer weiter, der Schnee schillerte endlos silbrig. Hier sollte nicht ich, hier sollte ein alter Recke in einer Jacke mit nach außen gewendetem Pelz und einem verzauberten Schwert am Gürtel entlangrennen. Und mit einem treuen gezähmten Wolf ein paar Schritte vor ihm...
    Kaum hatte ich an den Wolf gedacht, klang von links Gebell zu mir hinüber. Hundegebell. Wölfe bellen anders. Und im Winter gar nicht.
    Ich blieb stehen und sah mich um. Ein warmes orangefarbenes Licht funkelte zwischen den Bäumen. Außer dem Gebell ließen sich auch Stimmen vernehmen. Menschenstimmen.
    Ich dachte nicht lange nach. Ich ging noch ein Stück vorwärts, stieß auf einen zu der Feuerstelle abzweigenden Pfad und schlug ihn ein.
    Nach kurzer Zeit sprangen gleich zwei Hunde auf mich zu - ein weißer, vor dem Hintergrund des Schnees kaum auszumachender karelischer Schlittenhund mit einem geschwungenen Schwanz und ein rabenschwarzer wuscheliger Neufundländer. Der Schlittenhund kläffte hell wie ein Glöckchen. Der Neufundländer brummte tief »Waff! Waff!«
    »Petro? Bist du das?«, erklang es vom Lagerfeuer.
    »Nein«, antwortete ich bedauernd. »Ich bin nicht Petro. Kann ich mich vielleicht etwas aufwärmen?«
    Um die Wahrheit zu sagen, ging es mir nicht in erster Linie darum, mich aufzuwärmen. Ich wollte herausbekommen, wo ich war. Um mich nicht aufs Geratewohl durch den Wald zu schlagen, sondern geradenwegs zur Bahn zu gelangen.
    »Komm her! Vor den Hunden brauchst du keine Angst haben, die tun nichts!«
    Die Hunde kamen mir wirklich nicht zu nahe. Der Schlittenhund lief aufmerksam in einem gleichbleibenden Abstand von etwa vier Metern neben mir her, der Neufundländer sprang mir kurz vor die Füße, beschnupperte meine Schuhe, schnaubte und rannte zum Lagerfeuer.
    Am Feuer saßen mehr als ein Dutzend Menschen. An einer langen Kette, die an einem dicken, horizontal gewachsenen Ast einer in der Nähe stehenden Kiefer befestigt war, hing ein großer Kessel, in dem es viel versprechend brodelte. Die Leute saßen auf zwei Balken, die meisten hielten einen Metallbecher in der Hand. Jemand hatte gerade eine weitere Flasche Wodka geöffnet.
    »Ach du meine Güte!«, sagte ein bärtiger Mann, der an einen Geologen erinnerte, als ich aus der Dunkelheit ins Licht trat. »Nur im Pullover!«
    »Entschuldigt bitte«, seufzte ich. »Ich habe ein paar Problemchen.«
    »Setz dich«, meinte jemand, der sogleich von seinem Platz wegrückte. Sie setzten mich fast mit Gewalt hin und drückten mir unverzüglich einen Becher mit Wodka in die Hand.
    »Trink!«
    Diese Aufforderung zu ignorieren, hielt ich nicht für angebracht. Mein Hals brannte zwar, doch schon ein paar Sekunden später hatte ich völlig vergessen, dass Winter herrschte.
    »Stjopa! Hast du nicht noch 'ne Jacke?«, übernahm der Bärtige weiter das Kommando.
    »Ja«, kam es vom gegenüberliegenden Baumstamm. Dann lief jemand schnell in die Richtung, in der sich zwischen den Bäumen aufgespannte Zeltplanen abzeichneten.
    »Ich habe noch eine Mütze«, sagte eine pummelige Frau mit Zöpfen wie eine Schülerin. »Warte...«
    »Treibst du dich schon lange in dieser Kälte rum?«, fragte mich der Bärtige.
    »Nein. Insgesamt seit zwanzig Minuten. Fragt mich bloß nicht, wie ich hier hergekommen bin.«
    »Machen wir nicht«, versprach der Bärtige. »Gleich ist der Pilaw fertig. Wir sind noch bis morgen hier. Für dich finden wir schon

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