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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Aber wenn das Flugzeug nicht landen konnte, wohin würde es dann abdrehen? Würde man es zu einem andern Flughafen umleiten? Nach Bykowo oder Domodedowo?
    Diesen Gedanken sollte ich vielleicht Edgar oder Anna Tichonowna mitteilen. Damit sie für alle Fälle ein paar Wächter aussandten ...
    Das Flugzeug könnte natürlich auch nach Kaluga oder Tula umgeleitet werden. Wenn das Wetter dort besser war. Was durchaus der Fall sein könnte, schließlich hatten hier, in Wnukowo, eindeutig die Lichten Wettermagier die Hand im Spiel.
    Im Gebäude des Flughafens war es warm und gemütlich - wenn man von draußen hereinkam. Sofort begab ich mich in den ersten Stock, zur Bar, wo Borjanski und ich einmal, während wir auf unseren Flug gewartet hatten, Bier getrunken, Nüsse geknabbert und ein uns auf dieser Reise buchstäblich verfolgendes Lied gehört hatten, dem zufolge »der Sommer vorüber und alles vorbei« war.
    Mir ging nicht gleich auf, dass dies eine der wenigen Erinnerungen war, die ich mir bewahrt hatte. Wo kam sie her? Aus welchen Schichten meines Bewusstseins? Das wusste ich nicht.
    Ich versuchte mir darüber klar zu werden, wer Borjanski sein mochte, konnte mich aber nicht einmal mehr an sein Gesicht erinnern. Geschweige denn daran, wohin wir flogen und was wir dort wollten ... Irgendwie stieg lediglich eine ungebetene Erinnerung in mir auf, dass es in seiner Wohnung bereits in alten Sowjetzeiten ein riesiges Bidet gegeben hatte. Freilich, es hatte nicht funktioniert ... Doch wozu brauchte ein Sowjetmensch auch ein Bidet?
    Die Bar war so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ein Tresen, hohe Hocker, funkelnde Bierhähne. Und ein Fernseher in einer Ecke. Nur liefen jetzt völlig neue Clips. Ein Mann mit verdächtig roten Augen küsste im Regen die Hand einer Frau in einem purpurroten Kleid. Alles weitere entwickelte sich so, wie es sich für einen guten Thriller gehört - mit Wolfsschnauzen und allem drum und dran. Mir gefiel besonders der Moment, als nach einer gewissen Zeit der Mann, der jetzt aus irgendeinem Grund das purpurrote Kleid der Frau trug, einen Ballsaal verließ und sich in ein paar Wölfe auflöste. Und auch das Schlussbild mochte ich - die Frau funkelte die Gäste mit geröteten Augen an...
    Na ja. Insgesamt haben die Menschen eine ziemlich schlechte Vorstellung von Tiermenschen. Was auch für den seit einiger Zeit populären Schriftsteller Pelewin gilt: echte Werwölfe, gierige, unersättliche und verdreckte Tiere. Doch aufgenommen war das Ganze sehr schön, da ließ sich nichts sagen. Die Werwölfe hatten sich vermutlich zusammengetan, den Produzenten bezahlt und die Musiker beeinflusst, und so hatten sie einen wunderbaren, romantischen Clip über sich bekommen. Vor einiger Zeit hatten die russischen Vampire genau das gemacht.
    Auf alle Fälle prägte ich mir den Namen der Gruppe ein: Rammstein. Damit konnte ich das Lied später wiederfinden und mir genauer anhören.
    Ich bestellte Bier und zwei Hamburger, setzte mich schräg zum Fernseher, mit dem Rücken zum Saal. Mein Magen sandte schon seit einiger Zeit SOS-Signale aus, und ich hatte die feste Absicht, ihn zu retten.
    Die Lichten nahm ich wahr, als ich gerade die ersten Bissen vom zweiten Hamburger nahm. Ich spürte sie förmlich mit meinem Rücken. Worauf ich mich sofort abschirmte - das vermochte ich bereits. Ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass sie mich noch nicht entdeckt hatten.
    Immerhin bin ich ja doch ein starker Anderer, wenn auch ein unerfahrener. Dagegen waren diese beiden bestenfalls Gesellen. Ein schwacher Magier von zwanzig, zweiundzwanzig Jahren und ein angehender Wahrsager. Meiner Meinung nach sah ich die Zukunft bereits besser voraus als dieser Wahrsager, erkannte all die unzähligen möglichen Varianten klarer und vermochte die wahrscheinlichste von ihnen genauer vorauszusagen.
    Die Lichten unterhielten sich leise miteinander. Über beiden lag ein gekonnt gewirkter Zauber, der die Aufmerksamkeit der Menschen ablenkte und bei dem es sich nebenbei bemerkt um eine recht exotische Variante handelte. Er musste von jemandem gewirkt worden sein, der viel, viel stärker war.
    Ich belauschte sie.
    »... schon hier. Der Chef sagt, wir müssen mit einer Konfrontation rechnen«, meinte der Magier mit gedämpfter Stimme.
    »Sie stellen uns sowieso in die Kette«, nölte der Wahrsager. »Vor allem nach dem, was mit Tigerjunges und Andrej passiert ist.«
    »Wir brauchen alle Kraft, Oleg. Verstehst du das? Alle. Restlos. Die Kralle darf

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