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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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'n Plätzchen, wo du dich aufs Ohr hauen kannst, und auch noch 'nen Schlafsack. Morgen geht's dann nach Moskau. Du kannst mit uns mitkommen oder auch nicht.«
    »Danke«, sagte ich. »Gern.«
    »Wir feiern heute Geburtstag«, erklärte mir Stjopa, der gerade mit einer blau-grünen Skijacke unterm Arm zurückkam. »Hier, nimm.«
    »Vielen Dank, Jungs«, meinte ich aufrichtig. Und zwar weniger, weil sie mich so warmherzig und gastfreundlich aufnahmen, sondern weil sie mir keine überflüssigen Fragen
    Die Jacke war warm. Wärmer, als sie aussah.
    »Und wer hat Geburtstag?«, wollte ich wissen.
    Eine der Frauen stellte ihre Küsserei mit einem ihrer bärtigen Verehrer ein. »Ich«, verkündete sie. »Ich bin Tamara.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, meinte ich, was jedoch etwas schwermütig herauskam. Es tat mir wirklich leid, dass ich absolut nichts hatte, was ich ihr schenken konnte, und ihr einen Hundertdollarschein in die Hand zu drücken, wäre mir peinlich gewesen. Es hätte wie das großzügige Trinkgeld ausgesehen, mit dem ich im Hotel um mich warf, etwas, das ich nur anstandshalber herausgerückt hätte.
    »Wie heißt du?«, fragte der Bärtige Nummer eins. »Ich bin Matwej.«
    »Witali.« Ich drückte die Hand, die er mir entgegenstreckte. »Ein Geburtstag im winterlichen Wald - es ist das erste Mal, dass ich so was erlebe.«
    »Für alles gibt es ein erstes Mal«, bemerkte Matwej philosophisch.
    Die Hunde bellten erneut los und verschwanden in der Dunkelheit.
    »Das wird ja wohl Petro sein?«, fragte das Geburtstagskind voller Hoffnung.
    »Petro, bist du das?«, rief Stjopa mit einem überraschend klangvollen Bariton, der in nichts der Stimme glich, mit der er bisher gesprochen hatte.
    »Ja!«, kam es aus dem Wald.
    »Bringst du Sekt mit?«, schrie Tamara.
    »Ja!«, bestätigte Petro fröhlich.
    »Hurra!«, schrien die anwesenden Frauen im Chor. »Ein dreifaches Hurra auf Petro, unseren Retter!«
    Heimlich tastete ich nach dem Futteral unter meinem Hemd. Anscheinend verbarg sich in ihm die geheimnisvolle Kralle des Fafnir. Ich kam zu dem Schluss, dass ich mich bis zum Morgen entspannen und mich in der ruhigen Strömung eines fremden Geburtstags treiben lassen könnte. Die Leute am Lagerfeuer beachteten mich nicht weiter. Als sei ich einer von ihnen, gossen sie meinen Becher voll und reichten mir einen Teller mit dampfendem Pilaw. Als ob jeden Tag ein halbnackter Wanderer aus dem Wald zu ihnen ans Feuer stieße.
    Zu schade, dass es unter ihnen keinen einzigen Anderen gab. Noch nicht einmal einen nicht initiierten.

Vier
    Semion betrat Gesers Arbeitszimmer, erstarrte eine Sekunde an der Tür und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Er ist nicht in Moskau. So viel steht fest.«
    »Das ist alles so dumm«, schnaubte Ignat in einem Sessel. »Er soll doch wohl in Moskau irgendetwas mit der Kralle anstellen? Welchen Sinn hat es also, ein Portal nach außerhalb von Moskau zu öffnen?«
    Geser schielte zu Ignat hinüber. In seinem Blick lag etwas Rätselhaftes, etwas, das man im ersten Anlauf als »höheres Wissen« bezeichnen wollte. »So dumm ist das gar nicht«, widersprach er tonlos. »Der Dunkle hatte keine andre Wahl. Er hätte in Moskau bleiben und die Kralle verlieren können oder sich mit ihr so weit wie möglich davonmachen und dann versuchen können, später zurückzukommen. Schlimm ist allerdings, dass die Regin-Brüder es trotz unserer Anwesenheit geschafft haben, diesem Dunklen aus der Ukraine die Kralle zu übergeben. Und dass er uns hat täuschen können.« Geser seufzte und schloss einen Moment lang die Augen. »Aber was heißt uns ...«, verbesserte er sich dann. »Mich hat er täuschen können. Mich.«
    Swetlana, die sich in einer Ecke des Sofas verkrochen hatte, schluchzte abermals auf. »Es tut mir so leid, Boris Ignatjewitsch...«
    Anton, der bis jetzt so aufrecht dagesessen hatte, als habe er einen Ladestock verschluckt, beugte sich zu ihr und nahm sie schweigend in die Arme.
    »Weine nicht, Swetlana. Dich trifft keine Schuld. Wenn selbst ich die Schritte dieses Dunklen nicht erahnen konnte, kann das von dir niemand verlangen.« Gesers Stimme war rau, insgesamt aber neutral. Der Chef der Nachtwache machte Swetlana tatsächlich keinen Vorwurf - was geschehen war, überstieg einfach ihre bisherigen Kenntnisse und Fähigkeiten.
    »Ich verstehe nur eins nicht«, sagte Olga stockend. Sie saß auf einem kleinen gepolsterten Hocker, der zwischen Gesers Tisch und dem Fenster stand, und rauchte nervös.

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