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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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wer nichts will als Nacht ringsumher, Man sieht:
    Die Menschen brauchen mich sehr. Hier hab ich
    den Spiegel, und schaust du hinein, So darfst du
    den Blick ins Feuer nicht scheun, Ins Feuer, das
    meine Leier besingt. Soll jeder wissen: Etwas
    Gutes durchdringt Den Spiegel der Welt... 
     
    Seltsam. Dieses Lied passte besser zu einem Lichten. Warum griff es dann mir, einem Dunklen, so ans Herz?
    Mit diesem diffusen Gefühl kehrte ich ins Büro der Tagwache zurück. Ein alter, mit den Jahren klug gewordener Vampir schreckte vor mir zurück wie ein Betbruder vor der Versuchung. Daraufhin konzentrierte ich mich wieder aufs Hier und Jetzt und merkte mit einem Mal, dass in meiner Aura hellblau-weiße Streifen erblüht waren.
    »Verzeihen Sie.« Ich brachte meine Aura in Ordnung. »Das dient meiner Tarnung.«
    Der Vampir sah mich misstrauisch an. Aus dem Dienstzimmer lugte eine Vampirin heraus, mit Sicherheit - da ging ich jede Wette ein - seine Frau.
    Die beiden kontrollierten meine Siegel sehr sorgfältig und wollten mich anscheinend so lange wie möglich festhalten, doch in dem Moment kam Edgar mit einer jungen Hexe ins Büro. Er erfasste die Situation mit einem Blick. Für die überwachsamen Posten am Eingang reichte eine hochgezogene Augenbraue. Edgar nickte mir zu und ging zu den Fahrstühlen. Die Hexe verschlang mich mit ihrem Blick.
    »Sind Sie neu?«, sprach sie mich im Aufzug an.
    Ihre Stimme drückte ein ganzes Spektrum an Emotionen und Absichten aus, die zu analysieren ich weder den Wunsch verspürte noch die Gelegenheit hatte. Aus irgendeinem Grund wollte ich vor Edgar und den übrigen starken Dunklen meine eigene Kraft nicht offen legen.
    Edgar interessierte die Antwort ebenfalls, wobei ich spürte, dass seine Neugier echt war.
    »Nun, in gewisser Weise bin ich neu, ja.«
    Die Hexe lächelte. »Und stimmt es, dass Sie allein vier Kämpfer der Lichten vertrieben und die Tigerin ermordet haben?«
    Edgar verzog kaum merklich die Lippen zu einem sarkastischen Lächeln, schwieg aber erneut voller Neugier.
    »Ja.«
    Eine weitere Frage zu stellen gelang der Hexe nicht - wir waren angekommen.
    »Alita«, sagte Edgar aus irgendeinem Grund mit dem vollen Bass des Opernsängers Schaljapin. »Du kannst unseren Gast noch nachher quälen. Zuerst musst du Anna Tichonowna Bericht erstatten...«
    Alita nickte enthusiastisch und wandte sich noch einmal an mich. »Bekomme ich vielleicht einen Kaffee bei Ihnen? In einem Stündchen?«
    »Gern«, stimmte ich zu. »Nur habe ich keinen Kaffee.«
    »Ich bringe welchen mit«, versprach die kleine Hexe. Dann wandte sie sich den Büroräumen zu.
    Sie fragte nicht, wo ich wohnte. Also wusste sie es.
    Ein paar Sekunden lang sah ich der Hexe nach. Den Rücken bedeckte eine modische, silberfarbene Jacke, wie sie alpine Skifahrer und Touristen tragen (mir fielen sofort meine Bekannten aus dem Wald wieder ein) und die hier mit einer knallbunten Zeichnung verziert war.- mit einer Manga-Figur mit großen Augen und einem zum Tritt hochgerissenen Bein und mit der Aufschrift »Battle Angel Alita«. Die Zeichnung und der Schriftzug wurden zum Teil durch die über die Jacke fallenden langen Haare der Hexe verdeckt.
    Edgar blickte Alita ebenfalls nach. Und zu sehen gab es da einiges, selbst in der winterlichen Verpackung.
    »Sie kommt bestimmt«, meinte Edgar viel sagend. »Sie hat sich schon nach dir erkundigt.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Morgen ist das Tribunal«, wechselte ich das Thema. »Was soll ich tun? Wegbleiben? Oder zusammen mit den Kollegen hingehen?«
    »Du kommst natürlich mit uns, schließlich bist du ein Zeuge.« Edgar sah sich um. »Vielleicht gehen wir ins Arbeitszimmer?«
    »Gut.«
    Aus irgendeinem Grund war ich überzeugt, dass dieses Büro vom eigentlichen Chef der Tagwache, der momentan nicht in Moskau weilte, noch nie benutzt worden war. Vermutlich gehörte es Edgar oder einem höheren Dunklen. Mit Genuss ließ ich mich in einen Sessel fallen und registrierte automatisch, dass er weitaus bequemer war als die durchgesessenen Sitzbänke in den Metrowaggons. Edgar förderte von irgendwo unter dem Tisch eine angebrochene Flasche Kognak zutage.
    »Wollen wir einen trinken?«, fragte er.
    »Gern.«
    Warum sollte ich einen alten Koktebel ablehnen?
    »Wie gut, dass du gekommen bist«, meinte Edgar, während er den Kognak einschenkte. »Sonst hätten wir dich suchen müssen.«
    »Wahrscheinlich, um die Taktik abzusprechen und eine Strategie zu entwickeln, wie wir bei der

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