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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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japanischen Jeeps gerammt. Eines ursprünglich mal gepflegten Jeeps. Übrigens hatte er nicht sonderlich viel abgekriegt. Der Scheinwerfer war an der Stoßstange eingeschlagen, die Stoßstange selbst leicht verbeult. Offensichtlich hatte er es noch geschafft zu bremsen.
    »He, du Schafskopf, was stehst du hier rum?« Aus dem Jeep stürzte jemand auf mich zu, der aus einer getönten Brille, einem kahl geschorenen Schädel, einem fassförmigen Körper in einem himbeerfarben-schwarzen Etwas und Stiefeletten der größten Größe bestand.
    Die Augen dieses Subjekts waren weiß wie die Aura eines Babys - oder wie die Aura des Jungen Jegor in der Metro.
    Sah er denn den Niwa nicht, der uns gerammt hatte?
    Und plötzlich loderte die himbeerfarbene Kleidung des Subjekts mit einer matten blauen Flamme auf. Das Subjekt winselte auf wie ein Schwein, das abgestochen wird.
    Ich erkannte den transatlantischen Fluch, der im Volksmund »Spiderflame« genannt wird. »Spinnenflamme«. Und plötzlich packte mich etwas am Kragen und zog mich weg, noch bevor ich nach dem Angriff des Himbeerfarbenen wieder zu mir kam.
    Wenn ich mit jemandem nicht gerechnet hatte, dann mit ihm. Dem Lichten Musikfan. Anton Gorodezki.
    »Wer bist du?«, zischte er wütend. »Zum Dunkel mit dir, wer bist du? Wag es ja nicht, jetzt zu lügen!«
    Seine Augen waren noch weißer als die des gigueartig herumtanzenden Subjekts aus dem Jeep.
    Etwas in meinem Kopf klackte. Meine Lippen flüsterten von selbst vier Worte. »Der Spiegel der Welt...«
    »Der Spiegel...«, echote der Lichte. »Verflucht seid ihr! Verflucht sei alles!«
    Ich wollte schon haarspalterisch erwidern, dass das Fluchen die Sache der Dunklen sei, hielt mich aber zurück. Und tat recht damit. Antons Aura brauste glutrot und lila auf. Ohne Zweifel war ich stärker als er, aber ... Ich hatte den Eindruck, dass Gorodezki momentan eine unverständliche Kraft beherrschte, die weder zum Licht noch zum Dunkel gehörte, gleichwohl nicht weniger mächtig war. Und der Ausgang eines Duells, wenn es denn dazu kommen sollte, ließ sich für mich nicht erkennen.
    Nachdem er meinen Jackenkragen losgelassen hatte, drehte sich Anton um und stürzte blindlings davon, indem er sich zwischen den Autos hindurchzwängte und weder auf das Hupen noch auf das Fluchen hinter den heruntergelassenen Scheiben achtete. Ganz in der Nähe heulten die Sirenen der Straßenverkehrspolizei auf. Der Stau machte an der Ostoshenka jedes Durchkommen unmöglich, nur auf der Gegenfahrbahn gab es noch einen schmalen Spalt, durch den schimpfend und hupend die wenigen Glückspilze einer nach dem andern rasch durchschlüpften.
    Ich schaute auf die Uhr. Um zur Universität zu gelangen, blieben mir noch fünfzehn ... nein, nur noch vierzehn Minuten. Und Transportmagie durfte ich nicht anwenden.
    Doch zunächst: Wie ging es Schagron?
    Nachdem ich um den Niwa mit der offen stehenden Tür herumgegangen war, trat ich von der Fahrerseite an den lädierten BMW heran. Schagron war bewusstlos, doch noch im ersten Moment der Gefahr hatte er reflexartig einen Schutzschleier gewirkt und war ins Zwielicht geglitten. Jetzt regenerierte er sich, genau wie eine Insektenpuppe, und das gierige Zwielicht konnte ihm nichts anhaben.
    Er würde überleben. Sich wieder berappeln, und zwar recht schnell. Vermutlich im Notarztwagen - falls der es schaffte, sich einen Weg durch den Stau zu bahnen. Schagron war ein zu starker Magier, als dass eine solche Kleinigkeit wie ein Autounfall ihm ernsthaft Schaden zufügen konnte.
    Also dann, bis später, Schagron. Ich denke, die Inquisition wird dich nicht belangen. Das ist höhere Gewalt.
    Und dann sah ich meine Rettung. Geschickt schlängelte sich am äußersten Rand der Fahrbahn ein junger Mann auf einem winzigen orangefarbenen Mokick entlang. Der brauchte keine Staus zu fürchten...
    Obwohl es eigentlich nicht die Jahreszeit für eine solche Art von Fortbewegungsmittel war. Trotzdem...
    Auch ich trat jetzt ins Zwielicht.
    Hier erinnerte das Mokick an das wundertätige Buckelpferdchen. Klein, mit dem Lenker als Hörner und dem Scheinwerfer als Auge.
    »Runter«, befahl ich dem Fahrer.
    Der stieg gehorsam ab.
    Ich umrundete die Motorhaube eines beigefarbenen Opels und griff nach dem Lenker. Das Mokick schnaufte ergeben im Leerlauf.
    Dann mal los. Der Mann stand steif wie eine Schaufensterpuppe auf dem Gehsteig, meine ihm in die Hand gedrückten Dollar blind zusammenknüllend. Ich zog den Benzinhebel zu mir, streifte beinah

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