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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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zuschnürte.
    Ich war der mächtigste Magier auf Erden geworden. Ein Magier außerhalb jeder Kategorie. Ein Kalif für eine Stunde ... nein, für einen Augenblick ... Der Einzige in diesem baufälligen Raum, der keine Zukunft hatte.
    Manche Andere haben keine Zukunft...
    Ein Spiegel! Ich war nur ein Spiegel. Ein Spiegel der Welt. Ein kleines Gewicht, vom Zwielicht auf die höhere Waagschale geworfen, als das Gleichgewicht der Kräfte des Lichts und der Kräfte des Dunkels gestört war.
    Das Licht hatte eine Große Zauberin gewonnen. Dem Dunkel fehlte ein ebenso starker Adept. Das Licht hatte die Chance bekommen, mit dem Dunkel ein für alle Mal abzurechnen.
    Ohne Dunkel gibt es jedoch kein Licht. Deshalb hatte das Zwielicht mich geboren. Es hatte einen seltsamen Anderen gefunden, der bislang keiner der beiden Seiten zugeneigt war, einen Anderen mit jungfräulich reiner Aura, und ihn für das Dunkel eingefärbt. Es hatte ihm das bisherige Gedächtnis genommen und die Fähigkeit gegeben, zu spiegeln und fremde Kraft aufzusaugen. Je stärker man mich geschlagen hatte, desto stärker wurde ich. Stufe für Stufe war ich höher hinaufgesprungen. Bis es keine Stufe mehr gab, die Spitze erreicht war, darüber lagen nur noch die Ewigkeit und das Zwielicht - da hatte der Spiegel seine Schuldigkeit getan. Denn nun wäre der Spiegel in der Lage, seinerseits das Gleichgewicht zu zerstören.
    Jetzt erwartet mich das Zwielicht. Das Zwielicht für immer. Ich weiß nicht, was aus dem Körper von Witali Rohosa wird, der bis vor kurzem noch ein Anderer ohne Schicksal war. Ich weiß nicht, was mit seinem Gedächtnis und seiner Persönlichkeit wird, denn jedes Mal, wenn ein Spiegel auftaucht, endet die Sache anders. Ich weiß nur, dass dieses Ich, das ich in dem bitterkalten Park in Nikolajew auf dem Weg zum Zug nach Moskau erkannt habe, für immer verschwinden, sich in einen körperlosen und hilflosen Schatten verwandeln wird, in einen durchscheinenden Bewohner des Zwielichts.
    Oder einfach in einen Teil des Zwielichts ... des keineswegs derart passiven Zwielichts, für das es immer gehalten wird...
    Ich begriff das alles in dem kurzen Moment, bevor ich die ganze Kraft Swetlanas restlos aufsaugte, die glaubte, sie habe Anton Gorodezki verloren. Sie nahm das aufgrund eines seltsam kapriziösen Zufalls an - weil ich den Saal des Tribunals mit einem MD-Player betreten hatte, der genau dem Antons entsprach, mit einer Kopie seiner Scheibe und mit dem Lieblingslied Antons auf den Lippen und in der Seele. Zudem ging mir auf, dass die Inquisition die Wahrheit kannte. Doch keiner der Inquisitoren sagte ein Wort, um Moskaus Andere zu beruhigen, die an den vermeintlichen Kampf zwischen mir und Anton ebenso glaubten wie daran, dass Anton in diesem Kampf gestorben sei.
    Die Lichten kannten seine Lieblingslieder...
    »Stirb!«
    Ich werde nicht sterben, Swetlana. Genauer, ich werde sterben, aber nicht jetzt. Ich bin ein Spiegel. Wenn du versuchst, mich zu vernichten, wirst du schwach, während ich nur noch stärker werde. Ich erkenne bereits, was auf dich wartet - eine langwierige, sich über dreißig bis fünfzig Jahre erstreckende Wiederaneignung der so sinnlos vergeudeten Kräfte. Tropfenweise, Quäntchen für Quäntchen wirst du dir das Verlorene wieder zusammensammeln müssen. Drei - womöglich auch mehr - Jahrzehnte sind eine Zeit, die dem Dunkel durchaus reicht, eine Zeit, die genügt, um sich für den nächsten Versuch zu wappnen, das Gleichgewicht zu stören. Wenn auch noch nicht klar ist, welche Seite ihn unternehmen wird. Auf dich warten Jahre, in denen du das Glück mit Anton finden kannst - oder auch nicht.
    Aber in jedem Fall werdet ihr in diesen Jahren gleichberechtigt sein.
    Denn auch wenn du deiner Kräfte beraubt bist, so gebe ich dir doch eine Chance... die Chance, die ich nicht habe.
    Die Musik verstummte. Der Player hielt den magischen Schlag nicht aus -Technik reagiert sowieso schlecht auf höhere Magie - und verspritzte kleine Plastikstückchen. Meine Mütze flog zum Ausgang, die Jacke barst gleich an mehreren Stellen.
    Ich hielt mich zwar kaum auf den Beinen, stand aber noch.
    »Ein Spiegel!«, rief Geser mit dem ganzen Spektrum von nicht auszudrückenden Gefühlen und Intonationen in der Stimme. »Zum dritten Mal, und zum dritten Mal für die Dunklen!«
    »Wir planen schließlich auch keine globalen Gesellschaftsexperimente, Kollege!«
    Sebulon, der Chef der Tagwache, der seinen Triumph nicht verhehlte.
    Heute stand er auf der

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