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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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die Lichten an - traditionell vollstrecken das Urteil die Wachen selbst.
    Ilja erhob sich und schob seine Brille hoch. Aufmerksam sah er die Vampirin an. Die heulte auf, weil ihr klar wurde, dass es für sie keine Rettung gab. Im Blick des Magiers lag weder Hass noch Freude. Nichts außer Konzentration. Er streckte die Hand aus und berührte durchs Zwielicht das Registrierungssiegel auf der Brust der Vampirin.
    Im Nu sackte Viktoria zu Boden. Sie zerfiel nicht, wie es bei einer älteren Vampirin der Fall gewesen wäre, denn ihr Körper hatte die ihm zugeteilte Zeit noch nicht durchlebt. Doch das, was bei Vampiren die Lebenskraft ersetzt, das, was sie über Jahre von Menschen geraubt hatten, löste sich spurlos im Zwielicht auf. Im Raum kühlte es sich ganz leicht ab. Ilja runzelte die Stirn und schickte den Körper mit einer weiteren knappen Geste ins Zwielicht.
    Für immer.
    So vollstrecken Andere ein Urteil.
    »Fall zwei. Der Mord an dem nicht initiierten Anderen durch eine Tierfrau, eine Dunkle. Man führe die Schuldige herein...«
    Fragen. Antworten. Eine kurze Beratung der Inquisitoren.
    »Oxana Dazjuk. Andere, Dunkle, registriert in Moskau. Sie wird des vorsätzlichen Mordes für unschuldig befunden. Die Tat wird als Notwehr qualifiziert. Sie wird für schuldig befunden, übersteigerte Maßnahmen zu ihrer Selbstverteidigung getroffen zu haben. Dafür wird sie mit dem Entzug der Jagdlizenz für die Dauer von zehn Jahren bestraft. Sollte es zu einem Rückfall oder zu einer Gesetzesübertretung bis zur fünften Kraftstufe einschließlich kommen, wird unverzüglich die Dematerialisation eingeleitet. Gibt es Einwände oder Ergänzungen seitens der Wächter des Tages und der Nacht?«
    Ilja sah zu Geser hinüber und erhob sich erneut. »Wir haben einen Einwand«, erklärte er. »Das Leben der Anderen war durch nichts bedroht. Es bestand keine Notwendigkeit, den Mann zu töten. Wir fordern daher eine Ausdehnung des Lizenzentzugs auf fünfzig Jahre.«
    »Auf dreißig«, erwiderte Maxim, als ob er diesen Antrag bereits erwartet hatte. Was vermutlich auch zutraf...
    »Auf vierzig«, sagte Geser kalt, ohne sich zu erheben. »Sollen wir alle notwendigen Voraussetzungen dafür darlegen?«
    »Auf vierzig«, stimmte Maxim zu. Er sah die Dunklen an, die sich jedoch nicht eingemischt hatten, sondern völlig richtig davon ausgingen, dass sie es wegen des Schicksals der Tierfrau nicht auf einen Streit anlegen sollten.
    »Die Verurteilte ist aus der Bewachung zu entlassen.«
    Vor der bleichen verängstigten Frau sprangen die Türen auf. Sie stürzte hinaus, glücklich und noch nicht ganz begreifend, welche Strafe sie eigentlich bekommen hatte. Vierzig Jahre, das ist für einen Tiermenschen, der seine Kraft nur aus menschlichem Leben schöpft, ein sehr langer Zeitraum. Sie würde ver-hutzeln und vielleicht sogar sterben, ohne eine Möglichkeit zu haben, sich dem einsetzenden Alterungsprozess entgegenzustellen.
    »Fall drei. Der Überfall auf einen Anderen, einen Dunklen, durch die Wächter der Nacht. Angesichts des Fehlens des Leidtragenden hält das Gericht es für geboten, die überlebenden Schuldigen sowie die Führung der Nachtwache, welche die nicht sanktionierte Anwendung von Kraft gegen den Anderen, den Dunklen, gestattet hat, ins Kreuzverhör zu nehmen. jedweder Einspruch seitens der Lichten wird vorab abgelehnt.«
    Geser runzelte die Stirn, Sebulon gestattete sich ein zurückhaltendes Lächeln.
    Swetlana Nasarowa, die Lichte Zauberin, sah besorgt auf die Uhr. Sie geriet langsam in Panik, weil Anton Gorodezki, der Lichte Magier, sich verspätete.
    »Vielleicht ist es sinnvoll, den Grund für die Abwesenheit von drei Geladenen zu klären?«, fragte Geser vorsichtig, wobei er sich unwillkürlich den offiziellen Ton der richterlichen Rede aneignete. »Glauben Sie mir, ich versuche wahrlich nicht, Zeit zu gewinnen. Mich beunruhigt die Abwesenheit eines Mitarbeiters der Nachtwache und desjenigen, der hauptsächliche für die Ruhestörung in den letzten Tagen verantwortlich ist.«
    Die Inquisitoren blickten einander an, als fassten sie wortlos eine Entscheidung.
    »Die Inquisition erhebt keine Einwände«, verkündete Maxim sachlich. »Die notwendige magische Handlung wird gestattet.«
    Die Beobachter der Inquisition nestelten an ihren Gewändern und zogen ihre Schutzamulette hervor. Ob sie gerade deshalb Kittel trugen, damit niemand sah, wie sie mit den Amuletten arbeiteten und welche Amulette genau sie einsetzten? Die

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