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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Oder sollte man die Frage besser so stellen: Ob es unter ihnen auch Menschen gab?
    Das würde ich gern wissen...
    Den Wachtposten zu benebeln gelang mir, offensichtlich waren simple »Alltagszauber« auch während der Sitzung des Tribunals gestattet.
    Ich ging zu den Fahrstühlen - das Vestibül war seltsam menschenleer. Vielleicht spürten die Menschen unterbewusst die Anwesenheit der stärksten Anderen Moskaus in ihrer Nähe und versuchten, nicht hierher zu kommen? Ich drückte den Knopf, und die Tür eines der Aufzüge öffnete sich sofort. Ich ging hinein und sah automatisch zurück: Ob nicht doch noch jemand zum Fahrstuhl gerannt kam ...
    Da erblickte ich Anton. Eben lief er an dem immer noch Schachmatt gesetzten Posten am Eingang vorbei.
    Wie er mich wohl eingeholt hatte? Ob er auch ein Mokick oder ein Motorrad beschlagnahmt hatte?
    Wartend stand ich da. Anton sah mich an, als ob er nachdächte, und wartete ebenfalls.
    Nach kurzem Zögern drückte ich den Knopf, und die Türen des Fahrstuhls schlossen sich. Ich fuhr nach oben. Aber nicht gleich nach ganz oben, sondern nur etwa zu zwei Drittel hinauf. Wie sich zeigte, musste man für den Rest einen andern Fahrstuhl nehmen, der ausschließlich für die oberen Stockwerken diente. Zu meinem Ziel führte sogar nur noch eine breite Marmortreppe mit alten Kalkflecken auf den Stufen. Die Treppe brachte mich zu einer Tür, die im Zwielicht offen stand, in der gewöhnlichen Welt jedoch selbstverständlich fest verschlossen war.
    Vor der Treppe klang das heilige Lied von Piknik aus, und der Player spielte nach dem Zufallsprinzip den nächsten Titel an.
     
Ich träume von Hunden, von wildem Getier, Ich
    träume, dass Wesen mit flammenden Augen Am
    Himmel sich mir in die Flügel verbissen, Da bin ich
    gestürzt, ein gefallener Engel... 
     
    Dieses Lied von Nautilus Pompilius hatte ich früher nur flüchtig gehört, doch jetzt sprach es etwas direkt in meiner Seele an. Während ich zu der geschlossenen Tür hinaufstieg und ins Zwielicht eintauchte, sang ich es zusammen mit Butussow.
     
Weiß nicht, wie ich fiel, ich weiß aber noch, Wie ich
    tonlos aufschlug auf kaltem Gestein. Kann's sein, dass ich wirklich so hoch bin geflogen Und grausam
    gestürzt, ein gefallener Engel? Hinab in die Tiefe, aus der wir einst Kamen, ein neues Leben
    erhofften. Hinab in die Tiefe, aus der wir einst
    Gierig hinauf ins Blaue blickten. Hinab...
     
    Butussow und mich konnte jeder Andere hören, ungeachtet dessen, dass der tatsächliche Ton nur in den winzigen Stöpseln meiner Kopfhörer entstand und bereits in einem Umkreis von einem Schritt zur völligen Unkenntlichkeit zerschmolz.
    Wir traten in den Raum ein, in dem das Tribunal tagte. Wir beide. Ich - und der gefallene Engel.
     
Gerecht zu sein hab ich versucht und gütig, 
    Und es erschien mir nicht schrecklich, nicht seltsam, 
    Dass die Menge sich sammelt dort unten, 
    Um zu sehn, wie ein Engel herabfällt... 
     
    Geser. Sebulon. Der Inquisitor Maxim. Die Dunklen, mit denen ich die letzten Tage verbracht, Kaffee getrunken und geredet hatte: Edgar, Juri, Kolja und Anna Tichonowna. Die Lichten, mit denen ich mich in den letzten Tagen geschlagen und die Schwerter an der Grenze zum Foul gekreuzt hatte: Ilja, Garik, Tolik, der Bärenmensch. Unbekannte Andere, Dunkle wie Lichte, von denen einige mit Sicherheit nicht zu den Wächtern des Tages und der Nacht gehörten. Zwei in Kitteln, offensichtlich Inquisitoren.
    Und eine Lichte Zauberin mit schmerzverzerrtem Gesicht. Solche Gesichter setzten Menschen und Andere auf, wenn jemand von ihnen geht, der ihnen nahe steht.
     
Da - der Wind weht in offene Münder Weißen
    Schnee, süßes Manna vielleicht Oder nur
    Federn, die hinter ihm trieben, Der
    herabstürzte wie ein gefallener Engel... 
     
    Dann stieß es mich heftig jene unsichtbaren Stufen hoch, trieb mich auf die Spitze jener unbekannten Pyramide hinauf, die ich die ganze Zeit über erklommen hatte. Praktisch gleichzeitig hoben die beiden Inquisitoren in den Kitteln das Verbot für höchste Magie auf. Und dann richtete die Lichte auf mich jene Wolke, die jeden Moment bersten und sich entladen konnte. Ein Klumpen von Kraft, im Vergleich zu dem ein Sprengkörper von einer Megatonne wie eine Seifenblase wirkte.
    Die Zeit blieb stehen.
    Da verstand ich alles. Alles, was geschehen war, alles, was jetzt geschah, und alles, was gleich geschehen würde. Ich verstand es und schluckte den gewaltigen Kloß, der mir plötzlich die Kehle

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