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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Seite der Sieger. Und die Lichten mussten eine Niederlage einstecken.
    Doch wie oft war das schon passiert, so, aber auch anders herum?
    Und Swetlana, leer und erschüttert, eben noch von Leid niedergedrückt, jetzt aber außerstande, ihre Freude zu verbergen, schrie: »Anton!«
    Er stand am Eingang. Anton Gorodezki. Der Lichte Magier. Lebendig und unverletzt. Er war nach mir hereingekommen.
    »Danke, Anton!«, wandte sich der unsagbar zufriedene Sebulon an ihn. »Du hättest meinen Auftrag nicht besser ausführen können. Ich hoffe, die Belohnung reicht dir?«
    »Auftrag?«, schrie Geser. »Anton?«
    Sebulon stieß ein leises Lachen aus und erhob sich. Der Chef der Nachtwache sah flüchtig zu dem siegestrunkenen Gegner hinüber und richtete den Blick dann wieder auf Anton.
    Der ging zu Swetlana, die glückliche und nichts begreifende Lichte, und umarmte sie. »Gleich«, flüsterte er und kam auf mich zu.
    Ein paar Sekunden sahen wir einander in die Augen. Einander. Von Feind zu Feind. Ein Anderer einem Nicht-Anderen. Ich wusste selbst nicht, wie ich es ausdrücken sollte, damit es der Wahrheit entsprach. Denn die Wahrheit gibt es immer mindestens in zwei Varianten.
    »Nimm«, sagte Anton. Und er hielt mir seinen MD-Player als Ersatz für den zerstörten hin.
    »Danke«, flüsterte ich. Ich löste die Reste meines eigenen vom Gürtel. Schweigend holte ich meine MD hervor und legte sie in den Apparat ein, der mir gerade geschenkt worden war. Als ob es im Moment nichts Wichtigeres gäbe. Jetzt wird der Inquisitor aufstehen, dachte ich bei mir, und mir sagen, dass ich gehen könne.
    Natürlich hatte ich es erraten. Magier eines so hohen Grades irren sich nicht, selbst wenn sie Nicht-Andere sind.
    »Im Namen des Großen Vertrages«, verkündigte Maxim wie immer trocken und sachlich. »Da unwiderleglich festgestellt worden ist, dass Witali Rohosa kein Anderer im üblichen Wortsinne ist, stellen die Taten der Nachtwache ihm gegenüber keinen Fall dar, mit dem sich die Inquisition zu befassen hätte. Für Witali Rohosa gelten folglich auch nicht die Bestimmungen des Großen Vertrages. Er ist seinem eigenen Schicksal überlassen.«
    Man hätte meinen können, ich hätte einmal ein Schicksal gehabt! Ich, alle Spiegel, die es vor mir gab, der Junge Jegor, dessen Zeit noch nicht gekommen war...
    »Die Inquisition erklärt die Verhandlung hiermit für beendet.« Maxim bedachte die Magier mit einem Blick. »Gibt es Anmerkungen oder Vorschläge seitens der Wächter des Tages und der Nacht?«
    Ich drückte auf »Play«, drehte mich um und ging fort. Die zerfetzte Jacke ließ mich wie einen Penner oder eine gewöhnliche Vogelscheuche aussehen. Aber wen würde das schon kümmern?
    Der MD-Player, den Anton mir geschenkt hatte, war auf den Zufallsgenerator eingestellt. Und erneut wurde aus dem Dutzend Tracks der richtige gewählt. Kipelow und Mawrin. Finstere Zeit. Alles, was mir blieb, war zu singen.
    Und ich sang.
     
Finstere Zeit!
    Freiheit durchgeistert den Raum.
    Blut weit und breit, 
    Wie in dem wirrsten Traum
    Jagt nun das Volk
    Die früheren Götter hinfort, 
    Betet das Volk, 
    Erwartet ein Wahrhaftes Wort
    Das Jüngste Gericht - 
    Kometen verkünden es allen;
    Krieger des Lichts
    Verbrennen jene, die fallen.
    Krieger der Nacht
    Riegeln den Erdenkreis ab.
    Vieltausendfach
    Regnen die Vögel herab. 
     
    Eine finstere Zei, für den, der nicht mehr das Recht hatte, sich Witali Rohosa zu nennen. Für den, der aufgestiegen war, nur um zu fallen. Für einen gefallenen Engel ... einen dunklen Engel. Eine finstere Zeit für dich und für die Anderen. Das Ende des Jahrtausends. Eine Zeit, in der man das Licht nicht vom Dunkel unterscheiden kann und das Dunkel nicht vom Licht. Eine Zeit von Tod und Kampf. Eine finstere Zeit.
      
Wissen selbst nicht, wer wir sind - 
    Roten Sternes Kind, 
    Schwarzen Sternes Kind
    Oder neuer Gräber...
    Schrecklich und leicht tanzt der Tod, 
    Noch aber ist's nicht so weit, 
    Für unsre Sünden droht
    Uns eine finstere Zeit! 
     
    Ich wusste ebenfalls nicht, wes Kind ich war. Ich wusste nur eins: Für fremde Sünden bestraft die finstere Zeit häufig diejenigen, die keine Sünden begangen haben. Oder doch, aber nicht die, für die sie bestraft werden. Mir ließ man jedoch keine Wahl. Mir gab man kein Schicksal.
     
Wir leben noch.
    Der rettet sich, der nicht.
    Sie löschen jäh
    In unsrer Burg das Licht, 
    Sie wolln die Flagge streichen
    Zum Zeichen, Sich zu ergeben.
    Das wird nicht genügen

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