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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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zusammen«, riet ich ihm und schnippte mit den Fingern. »Du brauchst es noch, du musst nämlich deine Karre flottmachen.«
    Ich drehte ihm den Rücken zu und ging gemächlich auf das Gebäude zu. Meine Handfläche schmerzte leicht vom Rückstoß. Der »Gremiin« ist ein einfacher Fluch, doch ich wirke ihn nur selten. Unter der Motorhaube des neuen Volvo krabbelte jetzt ein körperloses Wesen herum, genauer gesagt kein Wesen, sondern ein Energieklumpen, voller Leidenschaft, jedwede Technik zu zerstören.
    Wenn alles perfekt klappte, bedeutete dies das Ende des Motors. Wenn nicht, würden immerhin die ach so feine Elektrik, der Vergaser, die Ventilatoren sowie verschiedene Zahnräder und Riemen ihren Geist aufgeben, mit denen das Innere des Autos voll gestopft war. Ich hatte mich nie dafür interessiert, was alles in einem Auto steckte, sondern kannte nur den groben Aufbau. Doch die Wirkung des >Gremlins< kann ich mir bestens vorstellen.
    Der enttäuschte Typ fuhr, ohne sich lang mit Geschimpfe aufzuhalten, bereits weiter. Ob er sich wohl an meine Worte erinnern würde, wenn seine Karre langsam verreckte? Sicherlich. Dann würde er »Verdammte Hexe!« schreien.
    Ohne zu wissen, wie richtig er damit lag.
    Der Gedanke daran erheiterte mich zwar, aber trotzdem war der Tag hin. Unwiderruflich.
    Fünf Minuten zu spät zur Arbeit, dazu noch der Streit mit meiner Mutter und dieser Schwachkopf im Volvo ...
    Mit diesen Gedanken ging ich an den funkelnden, prächtigen Schaufenstern eines Geschäfts vorbei, hob meinen Schatten vom Boden - was ein Reflex war, ich dachte nicht einmal darüber nach - und betrat das Gebäude durch eine Tür, die normale Menschen nicht sehen können.
    Das Hauptquartier der Lichten liegt in der Nähe der Metrostation Sokol und ist als normales Büro getarnt. Wir haben uns eine weit renommiertere Adresse gesucht und uns auch eine originellere Tarnung einfallen lassen. In dem Gebäude gibt es sieben Etagen mit Wohnungen und im Parterre die selbst für Moskauer Verhältnisse prächtigen Geschäfte - plus drei weitere Stockwerke, von denen niemand etwas ahnt. Das Haus wurde von vornherein als Residenz der Tagwache erbaut, und die die eigentliche Fassade des Hauses verbergenden Zauber sind in die Ziegel und Steine der Mauern gelegt worden. Die Bewohner des Hauses - in der Regel ganz gewöhnliche Menschen - verspüren vermutlich ein seltsames Gefühl, wenn sie mit dem Fahrstuhl nach oben fahren. Als ob es vom Parterre zum ersten Stock zu lange dauerte...
    Und tatsächlich braucht der Fahrstuhl länger als normalerweise. Denn der erste Stock ist in Wirklichkeit der zweite, der eigentliche zweite unsichtbar, dort befinden sich die Räume der Wachhabenden, das Waffenlager und der technische Dienst. Zwei weitere Stockwerke von uns krönen das Gebäude, und auch von ihnen weiß kein Mensch etwas. Ein Anderer dagegen, der über ausreichend Kraft verfügt, kann durchs Zwielicht blicken und den strengen schwarzen Granit der Mauern und die Bögen der Fenster sehen, vor die fast immer schwere dichte Gardinen gezogen sind. Vor etwa zehn Jahren hat man im Haus eine Klimaanlage eingebaut, sodass im schwarzen Stein jetzt absurde geschlitzte Kästen des Split-Systems prangen. Früher regulierten wir das Klima durch Magie, doch wozu sollen wir diese so verschwenden, wenn Elektrizität wesentlich billiger ist.
    Irgendwann habe ich mal ein Foto unseres Büros gesehen, das ein geschickter Magier durchs Zwielicht aufgenommen hatte. Ein atemberaubender Anblick! Eine belebte Straße, über die elegant gekleidete Menschen gehen, über die Autos fahren. Die Schaufenster ... die Fenster ... aus einem Fenster schaut eine würdevolle alte Frau heraus, in einem andern sitzt eine Katze, eine unzufriedene, düstere Katze, denn Tiere spüren unsere Anwesenheit sehr gut... Und parallel zu alldem zwei Eingänge von der Twerskaja aus, der eine davon offen. In der Tür steht ein junger Vampir vom Wachdienst, der sich gerade die Nägel feilt. Direkt über den Geschäften funkeln ein Streifen aus schwarzem Stein und die glutroten Vierecke der Fenster ... Die beiden obersten Stockwerke wirken, als sei dem Gebäude eine schwere Steinmütze aufgestülpt.
    Diese Fotografie müsste man mal den Bewohnern zeigen! Sie alle wären sich vermutlich einig: eine ungeschickte Fotomontage! Ungeschickt, weil das Gebäude einfach zu absurd aussah ... Als zwischen Sebulon und mir noch eitel Sonnenschein herrschte, fragte ich ihn einmal, warum unser Büro derart

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