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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sehr seltenen Spezies angehörte: den Schraten. Während er Edgar betrachtete, beleckte er die schmalen Lippen und riss die spaltartigen Augen auf. Erst dann lächelte er: Seine Zähne waren klein, scharf und alle dreieckig.
    »Hallo! Zum Tribunal?«
    »Hm.«
    »Nimm das...«
    Er warf Edgar einen Klumpen blauen Lichts zu, die temporäre Registrierung. Der Klumpen durchdrang ohne weiteres die Kleidung und setzte sich auf Edgars Brust als ovales, im Zwielicht leuchtendes Siegel fest.
    »Danke.«
    »Heizt denen ein, auf dem Tribunal«, bat der Schrat. »Wie es sich gehört. Jetzt ist unsere Zeit...«
    »Ich werde mir alle Mühe geben«, versprach Edgar seufzend.
    Er ging nur kurz in sein Zimmer, um sich zu waschen und den Aktenkoffer abzustellen.
    Gut, dachte Edgar begeistert, als er mit dem Fahrstuhl wieder nach unten fuhr, jetzt ab in den Schwarzen Adlerl Dort bestelle ich mir natürlich gebackene Wildschweinkeule. Dieses Essen war so beliebt, das er sogar einmal in einem Fantasy-Thriller auf sein Rezept gestoßen war. Während Edgar auf sein Essen wartete, trank er in kleinen Schlucken sein zweites Glas Bier (das erste hatte er nach russischem Brauch auf ex geleert und sich damit ein billigendes Nicken des Kellners verdient) und versuchte, seine Gedanken weiterzuentwickeln. Irgendetwas störte ihn dabei. Oder irgendjemand.
    Er blickte auf und sah Anton Gorodezki, der neben seinem Tisch stand und Edgar unverwandt anstarrte.
    Edgar erschauerte, da er glaubte, man verfolge ihn. Doch in Gorodezkis Augen leuchtete dieselbe Verwirrung, worauf Edgar sich sofort wieder beruhigte. Ein Zufall... das war nicht mehr als ein Zufall.
    Und noch etwas: Es gab keine freien Plätze mehr. Nur noch an Edgars Tisch.
    Einem unerwarteten Impuls folgend, nickte Edgar dem Lichten zu. »Setz dich. Ich bin nicht im Dienst. Und dir wünsche ich dasselbe - lassen wir sie, die Arbeit!«
    Anton zögerte. Edgar glaubte schon fast, er werde weggehen, doch dann überwand Anton sich. Er kam auf ihn zu und setzte sich Edgar gegenüber. Düster blickte er ihn an. Offenbar glaubte er nicht, dass Edgar, sein eingeschworener Feind, nur seine Freizeit genoss. Wie drücken es die Lichten aus? Derjenige, dem du einmal in einem Kampf gegenübergestanden hast, ist für immer dein Feind.
    Quatsch. Spinnerei. Edgar zog Flexibilität vor. Wenn ihm jetzt ein Bündnis mit demjenigen, den er noch gestern mit der »Geißel Schaabs« durchgepeitscht hatte, vorteilhaft erschien, warum sollte er es dann nicht eingehen? Freilich gab es nach einer Behandlung mit der »Geißel Schaabs« kaum jemanden, mit dem man ein Bündnis hätte eingehen können ... Doch wohl nicht mit der Asche?
    »Kein Wort über die Wachen?«, fragte Anton ironisch.
    »Kein Wort«, versicherte Edgar. »Nur zwei Landsleute kurz vor Weihnachten in Prag. Ich habe gebackene Wildschweinkeule bestellt. Das kann ich nur empfehlen!«
    »Danke, ich kenn's«, meinte Anton, nach wie vor ohne die Andeutung eines Lächelns, und drehte sich dem heraneilenden Kellner zu. Nein, diese Europäer können einfach nicht verstehen, was richtiger Frost, was richtiger Winter ist... Anton trat aus der Metrostation Malostranskä und überlegte, ob er den Jackenkragen hochschlagen sollte, entschied sich dann aber dagegen.
    Nur ganz leichter Schnee. Gerade mal zwei Grad unter Null.
    Langsam, ohne Eile schlenderte er die Straße entlang, das alte Kopfsteinpflaster hinunter. Manchmal betrachtete er im Vorbeigehen die Souvenirstände - komisches Holzspielzeug, Keramikgeschirr von seltsamer Form, Ansichtskarten mit Motiven von Prag, T-Shirts mit skurrilen Aufschriften. Letztendlich würde er doch etwas kaufen müssen. Zur Erinnerung, wie man so sagte. Beispielsweise ein T-Shirt mit der Aufschrift Born to be wild und einer lustigen Fratze.
    Bis zum Treffen mit dem Vertreter der Inquisition blieben noch fast drei Stunden. Es würde noch nicht einmal nötig sein, ein Taxi zu nehmen oder mit der Metro zu fahren. Er konnte in Ruhe Mittag essen und zu Fuß zum genannten Ort gehen. Ein Treffen unter der Rathausuhr - was könnte es Romantischeres geben?
    Womöglich stellte sich der Vertreter der Inquisition ja als Frau heraus, noch dazu als hübsche und obendrein als Lichte? Dann wäre die Romantik perfekt.
    Anton musste über diese Gedanken lachen. Er verspürte nicht den geringsten Wunsch, fremdzugehen und eine Affäre anzufangen. Zudem ließen sich auf die Inquisitoren die Begriffe »Lichter« und »Dunkler« gar nicht anwenden. Sie

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