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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Jahren mitgekämpft, Wächter?«
    Anton sah ein, dass in der Tat ein schwacher Magier vor ihm stand. Er konnte das tatsächliche Alter nicht sehen, noch nicht einmal annähernd...
    »Nein.«
    »Ich war damals auch noch zu jung«, seufzte der Amerikaner. »Ich habe davon geträumt, zur Armee zu gehen, doch ich war erst fünfzehn. Schade, denn dann hätte ich ein halbes Jahrhundert eher hierher kommen können...«
    Anton gelang es gerade noch, sich den Satz zu verkneifen, dass dafür gleichwohl geringe Chancen bestanden hatten, schließlich waren die amerikanischen Truppen nicht in Prag einmarschiert. Doch gleich darauf schämte er sich seines Gedankens.
    »Na, dann viel Glück«, verabschiedete sich der Amerikaner endlich. »Irgendwann werde ich ganz bestimmt mal nach Moskau kommen, Wächter!«
    »Nur nicht auf die Weise wie ins Kosowo.« Diesmal schaffte es Anton nicht, sich auf die Zunge zu beißen. Doch der Hauptmann Christian Vanover jr. nahm es ihm nicht krumm. Im Gegenteil, auf seinem Gesicht lag ein strahlendes Lächeln. »Nein, ich glaube, dazu wird es doch wohl nicht kommen«, meinte er. »Das Licht sei mit dir, Wächter!«
    Anton trat nach dem Amerikaner aus dem Zwielicht. Der hakte sich erneut bei seiner Freundin ein, die von alldem nichts bemerkt hatte, und zwinkerte Anton verschmitzt zu.
    »Der Saft sei mit dir...«, murmelte Anton auf Russisch.
    Mist! Die gute Stimmung war verflogen und so gründlich dahingeschmolzen wie ein Stück Eis in einer glühenden Bratpfanne.
    Er konnte sich tausendmal in Erinnerung rufen, dass Auseinandersetzungen und Streitigkeiten zwischen Staaten sich nicht auf die Beziehungen von Licht und Dunkel auswirkten. Man musste zugeben, dass ein Magier, der als Flieger an einem Krieg teilnahm, höchstwahrscheinlich keine Bomben auf die friedliche Bevölkerung abwerfen würde. Und trotzdem...
    Doch wie brachte er es fertig, Angriffe zu fliegen, Bomben über den Köpfen von Menschen zu zünden und dennoch ein Lichter zu bleiben? Denn ein Lichter war er, ohne Zweifel! Dabei hatte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Menschenleben auf dem Gewissen. Wie schaffte er es, nicht ins Zwielicht abzustürzen? Wie stark musste er an die eigene Wahrheit glauben, um eine Armee, eine kämpfende Armee, und die Sache des Lichts unter einen Flut zu bringen?!
    Finster und bedrückt betrat Anton den Schwarzen Adler.
    Und erblickte sofort die Kameraden von Christian Vanover. Zehn Männer, alles gewöhnliche Menschen. Sie saßen an einem langen Tisch, aßen Gulasch und tranken Sprite.
    Ehrenwort, sie tranken Sprite!
    In einer tschechischen Bierstube! Im Urlaub!
    Und nicht, weil sie sich an eine Prohibition hielten. Auf dem Tisch standen auch einige leere Bierflaschen. Amerikanisches Budweiser, das Anton nur trinken würde, wenn er in der Wüste am Verdursten war.
    Anton ging an den Amerikanern vorbei. Freie Tische gab es nicht mehr. Schon wieder Pech ... Doch da hinten saß jemand allein, vielleicht konnte er sich dazusetzen...
    Der Mann hob den Kopf und erschauderte. Genau wie Anton im selben Moment.
    Es war Edgar.

Drei
    Was man den Dunklen nicht nehmen kann, das ist ihre Lebensfreude. Diesbezüglich hegte Anton keinerlei Zweifel, Man brauchte sich nur anzusehen, mit welchem Appetit Edgar die ausgesprochen leckere und vermutlich von Diätisten nicht gerade empfohlene Schweinshaxe verputzte, die er mit Meerrettich und Senf würzte, der - obwohl reichlich scharf - für einen Russen natürlich zu süß war. Das Ganze rundete er mit einer tüchtigen Portion Bier ab.
    Das verblüffte Anton stets aufs Neue. Selbst seine Nachbarn, die Vampire, mit denen er einmal recht gut befreundet gewesen war, wirkten mitunter lebendiger und lebenslustiger als die Lichten Magier. Die höchsten Magier natürlich - jene, deren Kraft sich mit Antons vergleichen ließ - hatten sich als Menschen noch nicht ausgetobt.
    Eins nur war unangenehm: Ihre Lebensfreude erstreckte sich in der Regel nur auf sie selbst.
    Anton hob den schweren Seidel mit hellem Budweiser. »Prosit«, murmelte er.
    Wie gut, dass der tschechische Brauch es nicht verlangte anzustoßen. Mit einem Dunklen hätte Anton das nicht gern getan.
    »Prosit«, erwiderte Edgar. Genussvoll leerte er die Hälfte des Glases mit zwei Schlucken und wischte sich den Schaum ab. »Das ist gut.«
    »Stimmt«, pflichtete Anton ihm bei, obwohl sich seine Anspannung nicht legte. Nein, natürlich brauchte er sich nichts vorzuwerfen, weil er mit einem Dunklen Bier trank.

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