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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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mit der Kralle brauchten wir nicht! Versucht gar nicht erst, uns einen derartigen Schwachsinn anzuhängen!«
    »Aber vielleicht«, sagte Anton plötzlich, »wart ihr darauf aus, eine andre Operation zu hintertreiben ... unsre Operation? Und da kam euch die Kralle des Fafnir gerade recht?«
    Edgar verfluchte sich selbst für seine Geschwätzigkeit. Natürlich nur im übertragenen Sinne. Kein Dunkler würde sich freiwillig einen Infernostrudel über den Kopf hängen.
    »Wie kommst du denn darauf? Und was denn überhaupt für eine Operation ...«, setzte er an. Und begriff sogleich: Indem er unversehens die Nachtwache zu verteidigen begann, bestätigte er im Grunde Antons Hypothese.
    »Danke, Anderer«, sagte der Lichte nachdrücklich.
    Während sich Edgar innerlich immer noch in den Arsch trat, erhob er sich. Es hieß ja nicht umsonst: Wenn du dich mit einem Lichten an einen Tisch setzt, schneid dir die Zunge ab und näh dir den Mund mit Draht zu!
    »Ich muss jetzt gehen«, erklärte er. »Es war sehr schön ... mit dir zu sprechen.«
    »Gleichfalls«, stimmte Anton zu. Und streckte sogar die Hand aus.
    Ihm nicht die Hand zu geben wäre dumm gewesen. Edgar ergriff die ausgestreckte Hand, legte einen Schein im Wert von fünfhundert Kronen auf den Tisch und ging schnell hinaus.
    Anton lächelte ihm hinterher. Letzten Endes machte es Spaß, einen Dunklen zu verwirren, vor allem dann, wenn er zu den ersten Zehn der Tagwache gehörte. Dieser dicke Wächter glaubte jetzt tatsächlich, er habe ihm irgendein schreckliches Geheimnis verraten - obwohl er nichts beim Namen genannt hatte und Antons Version dumm war; und selbst wenn sie zufällig wahr sein sollte, so hatte Anton doch nichts Handfestes erfahren ...
    Er nickte dem Kellner zu und machte eine Geste, bei der er mit dem Finger etwas auf die offene Handfläche zu schreiben schien. Eine Minute später kriegte er die Rechnung.
    Mit dem üblichen Trinkgeld belief sie sich auf Tausendundzwanzig Kronen.
    Ach diese Dunklen...
    Selbst wenn es um Kleinigkeiten geht, müssen sie geizen. Nach all den Anspielungen, wie erbärmlich die Nachtwache dastehe und wie ihre Mitarbeiter das Geld zusammenhielten...
    Nachdem Anton bezahlt hatte, stand er auf (das Bier war nun doch zu spüren - sein Körper war angenehm, gleichzeitig aber auch beängstigend entspannt) und verließ den Schwarzen Adler. Zum Altstädter Ring, dem Rathausplatz, wo er sich mit dem Mitarbeiter des Europabüros der Inquisition treffen sollte, würde er es noch gerade so schaffen. Hier wimmelte es stets von Touristen.
    Vor allem zu Beginn einer Stunde, wenn im Rathausturm die alte astronomische Uhr zu schlagen begann. Dann öffneten sich zwei Fenster, in denen die Apostel erschienen, sich nach vorn bewegten, als ob sie den Platz überblicken wollten, unc dann wieder im Innenleben des Mechanismus verschwanden Eine unermüdliche Wache des Altstädter Rings.
    Anton stand inmitten der Touristen, die Hände in den Ta schen vergraben - die Finger froren doch, und Handschuhe hatte er aus irgendeinem Grund noch nie gern getragen. Um ihn herum surrten leise Videokameras, klickten die Auslöser der Fotoapparate, tauschte die vielsprachige Menge Eindrücke vom Besuch einer weiteren obligatorischen Sehenswürdigkeit aus. Er vermeinte sogar, das Knirschen der Gehirne zu hören die einen Haken im Reiseführer für Prag machten: Uhr angu cken - erledigt.
    Warum lief er unwillkürlich in dieser gesichtslosen Masse mit und hakte seine Programmpunkte innerlich ganz genauso ab?
    War er zu faul, sich selbst etwas einfallen zu lassen? Zu träge? Oder war das ein unausrottbarer Herdeninstinkt? Die Dunklen dürften schließlich nicht in der allgemeinen Menge trotten...
    »Nein, ich verstehe dich nicht«, erklang es ein paar Schritte von ihm entfernt. »Ich bin im Urlaub, hörst du? Kannst du das nicht selbst entscheiden?«
    Anton schielte zu seinem Landsmann hinüber. Eine besondere Freude war das nicht. Ein kräftiger Russe mit breiten Schultern und reichlich viel Gold. Teure Anzüge zu tragen hatte er bereits gelernt, aber eine Krawatte von Hermes binden - das konnte er nicht. Natürlich war die Krawatte gebunden, aber mit einem so furchtbaren »Kolchosknoten«, dass es peinlich anzusehen war. Unter dem offenen Mantel aus glutrotem Kaschmir lugte ein zerknautschter Schal hervor.
    Der neureiche Russe fing seinen Blick auf, runzelte die Stirn, steckte das Handy weg und sah wieder zur Rathausuhr. Anton schaute woanders hin.
    Die dritte

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