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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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erfährt, damit du dich natürlich verhältst, damit du nicht unnütz leidest ... Denn deinen Seelenfrieden zu bewahren gehört ebenfalls zu Gesers Pflichten.«
    Zufrieden führte er das nächste Glas Bier an die Lippen. Geräuschvoll schlürfte er die Blume ab.
    »Du bist ein Dunkler«, sagte Anton. »Du siehst in allem nur das Böse, den Verrat, die Gemeinheit.«
    »Ich verschließe nur nicht die Augen davor«, parierte Edgar. »Und deshalb vertraue ich Sebulon nicht. Fast genauso wenig wie Geser. Selbst dir kann ich mehr vertrauen, denn du bist eine genauso unglückliche Figur, die bloß zufällig eine Farbe bekommen hat, die sich von meiner unterscheidet. Aber muss ein schwarzer Bauer einen weißen hassen? Nein. Vor allem dann nicht, wenn sich diese Bauern gegenübersitzen und friedlich Bier trinken.«
    »Weißt du was?«, sagte Anton leicht verwundert. »Mir ist ein Rätsel, wie ihr leben könnt - mit dieser Weltsicht. Ich würde mich da sofort aufhängen.«
    »Aber du kannst mir nichts entgegensetzen?«
    Anton trank ebenfalls von seinem Bier. Die erstaunliche Besonderheit frisch gezapften tschechischen Biers besteht darin, weder den Körper noch den Kopf sonderlich schwer zu machen, selbst dann nicht, wenn man viel davon trinkt. Oder kam ihm das nur so vor?
    »Nein«, gab Anton zu. »Im Moment nicht. Aber ich bin mir sicher, dass du nicht Recht hast. Es ist nur schwierig, mit einem Blinden über die Farben des Regenbogens zu streiten. Dir fehlt etwas ... was genau, weiß ich nicht. Aber etwas sehr Wichtiges, ohne das du hilfloser als jeder Blinder bist.«
    »Wieso hilflos?«, erwiderte Edgar leicht beleidigt. »Hilflos seid eher ihr, die Lichten. Durch eure ethischen Prinzipien an Armen und Beinen gefesselt. Aber wer - wie zum Beispiel Geser - ein höheres Entwicklungsniveau erreicht hat, der lenkt euch.«
    »Ich werde versuchen, dir zu antworten«, sagte Anton. »Aber nicht jetzt. Dafür werden wir uns noch einmal sehen müssen.«
    »Weichst du der Antwort aus?«, kicherte Edgar.
    »Nein. Aber wir haben uns vorgenommen, nicht von der Arbeit zu sprechen. So war es doch, oder?«
    Edgar hüllte sich in Schweigen. Der Lichte hatte ihn in der Tat ausgetrickst, wenn auch nur ein bisschen. Warum hatte er sich bloß auf dieses sinnlose Streitgespräch eingelassen? Aus einem weißen Hund machst du keinen schwarzen, hieß es bei ihnen in der Tagwache.
    »Stimmt«, räumte er schließlich ein. »Es ist meine Schuld, das gebe ich zu. Nur...«
    »Nur dass es sehr schwierig ist, nicht über das zu sprechen, was uns trennt«, nickte Anton. »Das verstehe ich. Deshalb ist es nicht deine Schuld... sondern Schicksal.«
    Er kramte in seinen Taschen und holte ein Päckchen Zigaretten heraus. Edgar registrierte automatisch, dass es sich um billige Zigaretten handelte, die russischen 21. Jahrhundert. Ach ja! Ein Dunkler Magier seines Grades konnte sich alle Freuden des Lebens leisten. Während Anton russische Zigaretten rauchte ... und vermutlich nicht zufällig in diesem kleinen und gemütlichen, aber auch sehr preiswerten Restaurant gelandet war.
    »Sagst du mir, wo du abgestiegen bist?«, fragte er.
    »Im Kafka«, antworte Anton. »Das ist in Zizkov, in der Kfemencova.«
    Also tatsächlich. Ein billiges Hotel ohne Renommee. Edgar nickte, während er beobachtete, wie der Lichte seine Zigarette anzündete. Irgendwie ungeschickt, als rauche er noch nicht lange oder nur sehr selten.
    »Du bist im Hilton«, sagte Anton plötzlich. »Simmt's? Oder im Radisson SAS, äußerstenfalls.«
    »Observiert ihr mich?«, fragte Edgar unwillkürlich voller Misstrauen.
    »Nein. Nur zieht es alle Dunklen zu großen Namen und teuren Einrichtungen. Bei euch weiß man nämlich auch ganz gut, woran man ist.«
    »Ja, und?«, fragte Edgar provozierend. »Bist du also ein Anhänger von Askese und einer ärmlichen Lebensweise?«
    Anton sah sich mit einem ironischen Blick im Restaurant um, schaute auf die nahezu kläglichen Reste der Schweinshaxe auf dem beschnitzten Holzbrett und das wer weiß wie vielte Bier... Obwohl es irgendwie nicht nötig war zu antworten, tat er es. »Natürlich nicht, das sage ich ja gar nicht. Aber die Zahl der Betten und der Service sind nicht das Wichtigste in einem Hotel. Ebenso wenig wie der Preis für ein Essen auf der Speisekarte. Ich hätte auch ins Hilton gehen oder mein Bier in der teuersten Prager Kneipe trinken können. Aber wozu? Nimm doch nur dich: Weshalb bist du ausgerechnet hierher gekommen? Das ist doch nicht das

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