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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Generation, so versprachen es die Analytiker. Sie müssten auf die dritte Generation warten. Der Enkel dieses reich gewordenen Mafioso, dem es gelungen war, am Leben zu bleiben, würde ein absolut anständiger Mensch sein. Sie mussten nur warten. Und im Unterschied zu Menschen konnten Andere Generationen warten. Ihre Arbeit zog sich über Jahrhunderte hin... zumindest die Arbeit der Lichten.
    Die Dunklen hatten es dagegen leichter, die notwendigen Veränderungen im Bewusstsein der Menschen herbeizuführen. Der Weg des Dunkels ist stets kürzer als der des Lichts. Kürzer, leichter und angenehmer.
    »Anton Gorodezki«, sagte jemand hinter ihm. Russisch war offenbar nicht die Muttersprache des Sprechers, obwohl er es vollendet beherrschte.
    Die Intonation war unverwechselbar. Die beiläufige, leicht gelangweilte Intonation der Inquisitoren.
    Anton drehte sich um, nickte und streckte die Hand aus.
    Der Inquisitor schien ein Tscheche zu sein. Ein hochgewachsener Mann unbestimmten Alters, der einen warmen grauen Mantel und eine Baskenmütze aus Wolle mit einer komischen Spange in Form von Jagdhörnen, Flinte und Hirschkopf trug. Man konnte sich ihn ohne weiteres in einem dämmrigen herbstlichen Park vorstellen: Langsam schritt er über den dicken Teppich aus bereits braun gewordenen Blättern, ein nachdenklicher, trauriger Mann, der an einen in seine Gedanken versunkenen Spion erinnerte.
    »Vitezslav«, sagte der Inquisitor. »Vitezslav Grubin. Gehen wir.«
    Sie kamen problemlos aus der Menge heraus, denn die Menschen wichen aus irgendeinem Grund vor dem Inquisitor zurück, obwohl dieser nicht auf seine Fähigkeiten als Anderer zurückgriff. Sie gingen durch ein schmales Gässchen und entfernten sich langsam von den müßiggängerischen Touristen.
    »Wie war der Flug, Anton?«, wollte Vitezslav wissen. »Haben Sie sich schon erholt und etwas gegessen?«
    »Danke, es ist alles in Ordnung.«
    Die Freundlichkeit des Inquisitors - selbst wenn sie noch so formell sein mochte - überraschte und freute Anton.
    »Brauchen Sie Hilfe von unserem Büro?«
    Anton schüttelte den Kopf, ohne im Geringsten daran zu zweifeln, dass der ein paar Schritte vor ihm hergehende Vitezslav die Bewegung spürte.
    »Gut«, antwortete der Inquisitor in nach wie vor gleichgültigem, wenn auch aufrichtigem Ton. »Wir haben sehr viel Arbeit ... Die Verlegung des Europabüros von Bern nach Prag war für uns alle ein bedeutsames Ereignis. Wir sind sehr stolz... sehr stolz darauf. Aber unsere Abteilung ist nur sehr klein. Und es gibt jede Menge Arbeit.«
    »Soweit ich weiß, hat die Inquisition in Prag wenig zu tun«, sagte Anton. 
    »Ja. Die Wachen hier sind sehr gesetzestreu. Sie verletzen den Großen Vertrag kaum.«
    Da hat er Recht, dachte Anton. Die Inquisition beschäftigte sich stets mit den Zwistigkeiten der Wachen untereinander, der Verbrechen einzelner Anderer nahmen sich die Wachen selbst an. Auf die Dunklen in Prag dürfte indes die Atmosphäre eines normalen europäischen Landes kaum eine beruhigende Wirkung gehabt haben. Doch im Rahmen der Organisation hatten sie gelernt, die Gesetze zu achten.
    Oder sie zumindest weniger augenfällig zu übertreten.
    »Die Sitzung des Tribunals zum Fall Igor Teplow, Magier zweiten Grades, leitender Mitarbeiter der Nachtwache Moskaus, beginnt morgen Abend«, teilte Vitezslav mit. Anton fiel auf, dass Igor mit vollem Namen und dem ihm zukommenden Status genannt worden war und die Sitzung begann, und nicht stattfand. Demzufolge hatte die Inquisition noch keinen Be-schluss gefasst. Und stellte sich auf einen langen Prozess ein ... »Wollen Sie ihn sehen?«
    »Ja, natürlich«, nickte Anton. »Ich habe ihm ein paar Briefe von Kollegen und ein paar Geschenke mitgebracht...«
    Er verstummte. Der Satz von den Briefen und Geschenken klang irgendwie sehr bedeutungsschwer. Als brächte er tatsächlich jemandem im Gefängnis etwas. Oder besuche einen Schwerkranken ...
    »Ich bin mit dem Auto da«, sagte der Inquisitor. »Wir können jetzt in Ihr Hotel fahren, um die Sachen zu holen, und dann zu dem Arrestanten...«
    »Igor... ist er irgendwo in der Inquisition?«
    »Nein. Warum?«, antwortete Vitezslav mit einer Gegenfrage. Er blieb vor einem Skoda Felicia stehen, der am Straßenrand geparkt war. »Einen arrestierten Dunklen hätten wir vielleicht unter Beobachtung gestellt. Aber Ihr Mitarbeiter ist in einem gewöhnlichen Hotel. Er musste allerdings eine Erklärung unterschreiben, nicht auszureisen.«
    Anton nickte

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