2 - Wächter des Tages
bist eine Große Zauberin. Solche wie du werden bloß alle paar Jahrhunderte einmal geboren. Potenziell bist du vermutlich stärker als Olga ... Aber dein Wert für die Lichten - ich meine nicht nur für unsere Wache, sondern für die Lichten insgesamt - besteht darin, dass du die Mutter eines Messias werden könntest.«
»Nachdem Olga mein Schicksalsbuch umgeschrieben hat«, sagte Swetlana.
»Nein. Nicht erst danach. Man kann das Schicksal eines Anderen nicht so leicht umschreiben wie das Schicksal eines Menschen. Das war von Anfang an vorherbestimmt. Wir haben nur einige Details korrigiert. Winzigkeiten. Die dich nicht betreffen, auch nicht die Zukunft des... des zu erwartenden Kindes.«
»Welche?« In Swetlanas Stimme klang nun doch Ärger durch. Lange hatte sie ihre Wut zurückgehalten. Jetzt war Anton allerdings kurz davor loszuschreien - so bohrten sich ihre Finger in seine Hand.
»Nur das Datum!« Nein, Geser stand Swetlana in puncto Hartnäckigkeit in nichts nach. »Nichts, außer dem Datum! Zweitausend Jahre nach der Geburt Christi! Nie zuvor hat die Menschheit so an die Ankunft eines Messias geglaubt!«
»Meinen herzlichen Dank auch«, zischte Swetlana mit vor Wut schriller Stimme. »Ihr habt also entschieden, wann und von wem ich ihn euch zur Welt bringe?«
»Erstens, wieso ihn?«, wollte Geser wissen.
Anton, der sich eigentlich gerade in das Gespräch einmischen und sich zu Swetlanas Frage nach dem Vater äußern wollte, schluckte die bereits formulierte Antwort hinunter. Der Druck von Swetlanas Hand ließ jetzt auch nach.
»Für die einen entscheiden Mama und Papa, für die andern eine besoffene Hebamme und für die dritten ein Gläschen Wodka zu viel«, sinnierte Geser schwermütig. Auf die zweite Frage einzugehen war nicht nötig. »Swetlana, mein Kind! Mit diesen Kräften, mit dieser Vorbestimmung zu spielen ist gefährlich! Selbst ich würde das nicht wagen! Es ist vorbestimmt, dass du eine Tochter zur Welt bringst, die eine herausragende Figur im Krieg zwischen Licht und Dunkel werden wird! Ihr Wort wird das Universum verändern, ihr Wort wird die Sünder zur Beichte treiben, bei ihrem Anblick werden selbst die bedeutendsten Magier des Dunkels auf die Knie fallen!«
»Das ist nur eine Wahrscheinlichkeit...«, flüsterte Swetlana.
»Natürlich. Es gibt kein Schicksal - leider und glücklicherweise. Aber du kannst mir glauben, dass dieser müde alte Magier hier alles tun wird, was in seiner Macht steht, um diese Wahrscheinlichkeit Realität werden zu lassen.«
»Besser wäre ich ein Mensch geblieben...«, flüsterte Swetlana. »Besser wäre ich...«
»Wann hast du dir das letzte Mal eine Ikone angeschaut?«, fragte Geser. »Sieh Maria in die Augen und denke mal darüber nach, warum sie immer traurig sind.«
Es war sehr still.
»Ich habe euch schon mehr gesagt, als ich dürfte.« Geser breitete mit schuldbewusster Miene die Arme aus. Anton hatte zum ersten Mal den Eindruck, dass Geser ihnen nicht eine Sekunde etwas vorgespielt hatte. »Ich habe es gesagt und habe mit einem Fuß die Grenze des Zulässigen überschritten. Jetzt müsst ihr entscheiden. Darüber nachdenken, wer eine Figur auf dem Schachbrett ist und wer ... wer eine vernünftige Persönlichkeit ist, in der Lage, über eine vermeintliche Beleidigung hinwegzugehen!«
»Vermeintlich?«, fragte Swetlana bitter.
»Als man dir erklärt hat, dass du dir nach dem Sandkasten die Hände waschen sollst oder dich dazu angehalten hat, dir eine Schleife ins Haar zu binden, war das auch eine Einmischung in dein Schicksal«, sagte Geser. »Und meiner Ansicht nach eine völlig gerechtfertigte.«
»Sie sind nicht mein Vater, Boris Ignatjewitsch!«, erwiderte Swetlana.
»Nein. Natürlich nicht. Aber für mich seid ihr alle meine Kinder...« Geser seufzte. »Ich erwarte euch im Foyer... genauer, Alischer und ich werden dort auf euch warten. Wenn ihr wollt, kommt nach.«
Er ging hinaus, wie ein Schatten folgte ihm der Devona.
Der Erste, der etwas sagte, war Igor. »Das Schlimmste ist, dass er in gewisser Weise Recht hat.«
»Wenn dir jemand mitteilen würde, dass du einen Messias zur Welt bringen sollst, werde ich noch einmal mit dir darüber reden, ob dieser jemand Recht hat!«, entgegnete Swetlana scharf.
»Für mich wäre das... weitaus... schwieriger...«, gab Igor kleinlaut zu.
Anton lächelte als Erster. Er sah Swetlana an. »Hör mal ...«, sagte er. »Ich erinnere mich noch, wie du dich über die Ungerechtigkeit des Schicksals
Weitere Kostenlose Bücher