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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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andre auch.
    »Hier lang, Alissa...«
    Wir gingen auf ein kleines Gebäude zu. Eine Terrasse, offene
    nster, in einem von ihnen ein schwaches Licht...
    »Das ist eines unser Sommerhäuser«, erklärte Pjotr. »In diesem Abschnitt gibt es vier weitläufige Datschen und acht Sommerhäuschen. Meiner Ansicht nach ist es weit vergnüglicher, den Sommer hier zu verbringen.«
    Er entschuldigte sich quasi dafür, dass meine Schützlinge und ich in der Unterkunft für den Sommer wohnen mussten.
    »Und im Winter?«, wollte ich wissen.
    »Im Winter kommt niemand hierher«, sagte Pjotr streng. »Trotz unserer warmen Winter sind die Bedingungen für die Unterbringung von Kindern nicht adäquat.«
    Ohne Schwierigkeiten wechselte er zum offiziellen Ton über. Er schien den Paragraphen zur Beruhigung besorgter Mamas zu wiederholen: angenehme Temperatur, komfortable Unterbringungsmöglichkeiten, ausgewogene Ernährung.
    Wir stiegen die Stufen zur Terrasse hinauf. Ich spürte eine leichte Aufregung.
    Als ob... als ob ich bereits spürte ... dass... Nastja war eine zierliche, dunkelhäutige Frau mit irgendwie tatarischen Gesichtszügen. Ein hübsches Ding, dessen Miene allerdings im Moment zu verzweifelt und angespannt wirkte.
    »Hallo, Alja...« Sie nickte mir zu, als sei ich eine alte Bekannte von ihr. In gewisser Weise stimmte das ja auch, denn man hatte ihr offenbar eine falsche Erinnerung eingegeben. »Nun ist es also so gekommen...«
    Ich hörte auf, mich in dem kleinen Zimmer umzusehen, in dem es ohnehin nichts Bemerkenswertes gab. Das ganz normale Zimmer einer Erzieherin: Bett, Schrank, Tisch und Stuhl. Ein Minikühlschrank der Marke Morosko und ein billiger Schwarz- weißfernseher schienen hier die einzigen Luxusgegenstände zu sein.
    Ach ja, ich bin jetzt ja auch anspruchslos...
    »Alles wird wieder gut werden, Nastja«, versprach ich ihr mit falscher Freundlichkeit. Die junge Frau nickte müde, wie sie es vermutlich die ganzen letzten vierundzwanzig Stunden über gemacht hatte.
    »Nur gut, dass du so schnell gekommen bist.« Sie hob ihre bereits gepackte Tasche vom Fußboden auf, bloß damit Pjotr sie ihr wieder abnahm. »Hast du schon mal im Artek gearbeitet?«
    »Nein.«
    Nastja runzelte die Stirn. Möglicherweise hatte derjenige, der für die Manipulation verantwortlich gewesen war, eine Kleinigkeit verwechselt, aber ihr stand jetzt nicht der Sinn danach, sich näher damit zu beschäftigen.
    »Ich bekomme noch den Frühflug«, sagte sie. »Petja, es fährt doch ein Auto nach Simferopol, oder?«
    »In einer Stunde«, nickte Pjotr.
    Die bisherige Gruppenleiterin wandte ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu. »Von den Mädchen habe ich mich bereits verabschiedet«, teilte sie mir mit. »Also ... wird sich niemand wundern. Sag ihnen, dass ich sie alle sehr lieb habe und ganz bestimmt ... versuche wiederzukommen.«
    Kurz schimmerten Tränen in ihren Augen auf- offenbar ging ihr eine der Möglichkeiten auf, die ihr eine rasche Rückkehr erlauben würden.
    »Nastja ...« Ich legte ihr den Arm um die Schultern. »Alles kommt wieder ins Lot, deiner Mutter geht es bald besser...«
    Nastjas kleines Gesichtchen verzog sich zu einer Grimasse des Schmerzes. »Sie war noch nie krank!«, brach es aus ihr heraus. »Niemals!«
    Pjotr hüstelte dezent. Nastja senkte den Blick und verstummte.
    Natürlich hatte es verschiedene Alternativen gegeben, mit auf die Schnelle eine Arbeit im Artek zu besorgen. Aber Sebulon bevorzugt stets die einfachste Lösung. Nastjas Mutter hatte
    völlig unerwartet einen schweren Infarkt erlitten, die Erziehe- rin flog zurück nach Moskau und als Ersatz schickte man eine
    ndre Studentin von der Universität ins Ferienlager. So einfach ging das.
    Wahrscheinlich hätte Nastjas Mutter ohnehin einen Infarkt bekommen: vielleicht erst in einem, vielleicht erst in fünf Jahren Sebulon achtet stets penibel auf das Gleichgewicht der Kräfte. Einen Infarkt bei einer absolut gesunden Frau auszulösen, das ist eine Intervention vierten Grades, die den Lichten automatisch das Recht auf einen magischen Gegenzug von gleicher Kraft gibt.
    Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde Nastjas Mutter überleben. Sebulon ist kein Anhänger sinnloser Grausamkeit. Warum sollte er eine Frau töten, wenn der gewünschte Effekt bereits durch eine schwere Erkrankung zu erzielen ist?
    Daher könnte ich meine Vorgängerin eigentlich beruhigen. Nur müsste ich dafür zu weit ausholen.
    »Hier, in dieses Heft... habe ich das eine oder

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