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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Augen und sondierte mich kurz. Ich schirmte mich nicht ab - wozu auch?
    »Solider erster Grad«, erklärte er. »Wenn auch mit Lücken. Noch gestern hätte mich das Auftauchen eines solchen Magiers in unsern Reihen rundum entzückt.«
    »Und heute? Bist du da etwa betrübt?«, schnaubte die Hexe.
    »Heute enthalte ich mich einer Bewertung. Die Lichten schlagen über alle Stränge, und wir sitzen ohne Sebulon da. Geser plus diese Zauberin plus Olga, selbst wenn sie noch nicht alle Kräfte zurückhat, dann noch Igor, Ilja, Garik und Semjon ... Gegen sie können wir nichts ausrichten.«
    »Aber wir haben die Kralle und diesen ... Witali«, parierte die Hexe. »Was regst du dich also auf? Darüber hinaus hat Sebulon die Angewohnheit, genau im richtigen Moment doch noch aufzutauchen.«
    »Die Kralle haben wir noch nicht«, bemerkte Juri. »Und wo ist die Garantie, dass wir sie bekommen werden? Außerdem hat Kolja völlig Recht: Was wollen wir mit der Kralle eigentlich anstellen? Sicher, es handelt sich bei ihr um eine alte und mächtige Kraft, das weiß ich. Doch wenn man sie aus lauter Dummheit freisetzt... Dann könnten wir gewaltig auf die Nase fallen...«
    »Deshalb müssen wir uns an die Arbeit machen«, meinte die Hexe überfreundlich. »Edgar, was sagen die Analytiker?«
    Wie auf Befehl klopfte es an der Tür. In der Türfüllung erschien mein alter Bekannter, der Beherrscher des Notebooks mit dem Namen Hellemar.
    »Gefunden!«, verkündete er triumphierend. »Wnukowo! Flug Fünfzehn Null Fünf aus Odessa. Bereits zweimal wegen schlechten Wetters verschoben, ist er eben erst abgeflogen. In einer Stunde und zwanzig Minuten wird er landen. Die Kralle ist an Bord.«
    »Also ...« Edgar schnellte hoch. »Die Einsatzgruppe soll zum Flughafen! Sie soll das Wetter im Auge behalten. Und die Lichten fern halten. Und scheiß drauf, einen Beobachter kriegen sie auch nicht!«
    »Chef«, sagte Hellemar mit saurer Miene. »In Wnukowo sitzt bereits seit fünfzehn Minuten ein Einsatzstab der Lichten. Bedenken Sie das.«
    »Wir werden's bedenken«, versprach die Hexe. »Also, dann mal los...«
    Alle erhoben sich. Jemand griff nach dem Telefon, jemand kramte hastig aus dem Tresor die geladenen Amulette, jemand erteilte den Mitarbeitern mit lauter Stimme Befehle...
    Bloß ich stellte missmutig meine leere Kaffeetasse auf den Tisch.
    »Kriegt man in eurem Stab wenigstens was zu essen?«, fragte ich in den Raum. »Ich habe seit vierundzwanzig Stunden nichts andres als Spucke zwischen den Kiemen...«
    »Wirst schon nicht gleich umfallen«, blaffte mich jemand an. »Ab nach unten. Und komm ja nicht wieder auf den Gedanken, auf eigene Faust zu handeln...«
    Seltsam, gerade jetzt verspürte ich nicht den geringsten Drang in mir, auf eigene Faust zu handeln. In Wnukowo kamen wir in beachtlich kurzer Zeit an. Am Steuer eines komfortablen Minibusses saß ein junger forscher Fahrer, der Deniska genannt wurde. Er war ein Magier und fuhr noch besser als Schagron. Die Uferstraßen, die Ordynka, der Leninski Prospekt, dann die Metrostation Jugo-Sapadnaja, der Ring 1 Ich konnte mich nicht einmal in Ruhe umsehen. Schagron und Edgar hatten sich verzogen, Juri und Kolja waren ebenfalls verschwunden. Ich war mit Anna Tichonowna und drei Hexen zurückgeblieben, deren interessierte Blicke ich ab und an auf mich zog. Vermutlich hatte Anna Tichonowna ihnen befohlen, mich in Ruhe zu lassen, denn keine von ihnen sprach mich an. Hinter den Sitzen, wo Platz für Gepäck war, hantierte schwerfällig ein dicker Tiermensch herum, der aufstöhnte, sobald Deniska mit dem Minibus zum nächsten Überholmanöver ansetzte. Die Reifen quietschten, das Fahrgestell ächzte, der Motor brummte so gleichmäßig wie eine arbeitsame Hummel im Mai.
    Wir trafen als Erste am Flughafen ein. Deniska steuerte auf den Personaleingang zu. Fast zur gleichen Zeit jagten zwei weitere Autos heran: der BMW mit Schagron und noch ein Minibus mit Technikern. Die Wächter arbeiten wirklich mit seltener Effizienz zusammen. Sie wirkten umgehend Informationszauber, die uns für normale Menschen zu einer leeren Stelle werden ließen. Die Techniker mit ihren Notebooks unterm Arm bildeten eine Kette zum Eingang. Jemand hatte bereits ein Quartier für unsere Kommandozentrale ausgesucht, einen großen Raum mit dem Schild »Buchhaltung« an der Tür. Die menschlichen Angestellten waren ins Nachbarzimmer - ein Büro oder einen Konferenzsaal - geschickt und in eine glückselige Starre versenkt worden.

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