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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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dem gerade eben eine Schlacht stattgefunden hatte.
    »Geser!«, rief Edgar lebhaft aus. »Guten Tag. In Abwesenheit des Chefs musst du mir Rede und Antwort stehen.«
    »Dir?« Geser schielte zu dem Esten hinüber. »Das wäre doch wohl zu viel der Ehre für dich.«
    »Dann ihm.« Edgar zuckte mit den Schultern und erschauerte, als friere er. »Oder ist er deiner ebenfalls nicht würdig?«
    »Mit ihm werde ich mich auseinander setzen«, sagte Geser trocken und wandte sich mir zu. Sein Blick war unergründlich wie die Ewigkeit. »Verschwinde aus Moskau«, sagte er fast ohne jede Emotion. »Jetzt sofort. Setz dich in einen Zug, auf einen Besen, zum Teufel in den Mörser und verschwinde. Du hast schon zwei meiner Mitarbeiter umgebracht.«
    »Meiner Ansicht nach«, bemerkte ich möglichst friedfertig, »hat man gerade versucht, mich umzubringen. Ich habe mich nur verteidigt.«
    Geser kehrte mir den Rücken zu - das wollte er nicht hören. Er wollte nicht mit einem Dunklen sprechen, der einen seiner besten Kämpfer für immer ins Zwielicht geschickt hatte. Genauer: eine.
    »Gehen wir von hier weg«, befahl er seinen Leuten.
    »He, he«, platzte es aus Edgar heraus. »Das sind Verbrecher! Die werden nirgendwo hingehen, im Namen des Großen Vertrages!«
    »Doch«, wandte sich Geser wieder an den Esten. »Und du wirst nichts dagegen unternehmen. Sie stehen unter meinem Schutz.«
    Ich rechnete ernsthaft damit, jetzt auf die nächste Stufe hinaufzufliegen. Denn selbst meine bisherigen Fähigkeiten ten, um einzusehen, dass ich es mit Geser noch nicht aufnehmen konnte. Er würde mich zermalmen. Wenn auch mit einiger Mühe - schließlich hatte ich es geschafft, jene unsichtbare Treppe der Kraft ziemlich weit hinaufzusteigen. Aber zermalmen würde er mich trotzdem.
    Doch es passierte nichts. Vermutlich war die Zeit für einen Kampf mit Geser noch nicht gekommen.
    Edgar sah mich verzagt an - er hatte wohl große Hoffnungen auf mich gesetzt.
    Die Lichten huschten ins Zwielicht, rafften die Überreste ihrer toten Gefährtin zusammen und glitten tiefer, in die zweite Schicht hinein. Alle.
    »Ich konnte ihn wirklich nicht aufhalten«, gestand ich schuldbewusst ein. »Tut mir leid, Edgar.«
    »Schade«, brachte der Este unbeteiligt hervor.
    Ins Büro der Tagwache brachte man mich selbstverständlich im BMW. Und noch etwas: Zum ersten Mal fühlte ich mich in Moskau müde.
    Aber nach wie vor frei.
    Der Preis, den ich für meine Kraft zahlte - ich erinnerte mich kaum daran, wie man mich zurückbrachte, in den Fahrstuhl stieß, in ein Arbeitszimmer führte, mich in einen Sessel setzte und mir eine Tasse Kaffee in die Hand drückte. Wie die überstrapazierten Muskeln schmerzten, wie jetzt mein ganzes Sein aufheulte, das eben noch die Kräfte des Zwielichts beherrscht hatte. Trotzdem hatte ich mich gut geschlagen. Die Lichten würden sich noch lange an diese Konfrontation erinnern. Schließlich hatten mich keine kleinen Kinder angegriffen - beide Lichten schätzte ich mindestens auf die erste Kraftstufe ein.
    »Mach den Analytikern Dampf«, befahl Edgar einem seiner Untergebenen. »Ich möchte endlich wissen, was hier vor sich geht.«
    Ich starrte ihn an, und Edgar verstand, dass ich zu mir kam.
    »Erzähl!«, forderte er mich auf.
    »Der Ruf!«, krächzte ich heiser und hustete. Ich versuchte, an dem Kaffee zu nippen, verbrannte mich und zischte vor Schmerz auf. »Der Ruf«, sagte ich, sobald ich wieder in der Lage war zu sprechen. »Sie haben mich im Schlaf überrumpelt.«
    »Der Ruf?«, wunderte sich Schagron, der wie ich in einem Sessel saß, allerdings am Nachbartisch. »Die Lichten haben ihn seit etwa dreißig Jahren nicht mehr eingesetzt...«
    »Sie haben dich mit dem Ruf im Gebäude der Tagwache überrumpelt?«, hakte Edgar ungläubig nach. »Das wird ja immer schöner! Und sonst hat niemand etwas gemerkt?«
    »Nein. Es war ein hoher und virtuos vorgebrachter Ruf. Anscheinend haben sie ihn mit den natürlichen Geräuschen in den Wohnungen dieser Etage getarnt.«
    »Und du hast dich ihm unterworfen?«
    »Natürlich nicht.« Ich versuchte abermals, etwas von dem Kaffee zu trinken, diesmal mit Erfolg. »Aber ich wollte herauskriegen, was die Lichten vorhaben.«
    »Ohne jemandem etwas zu sagen?« Edgar balancierte zwischen Unglauben und Missbilligung. »Du Abenteurer...«
    »Wenn ich dem Ruf mit einer Eskorte gefolgt wäre, hätten sie mich sofort entdeckt«, erklärte ich. »Nein, ich musste allein und ohne Deckung gehen. Das habe ich

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