200 - Die Hölle stirbt!
ernst an und sagte: »Die Hölle stirbt.«
»Asmodis stirbt«, korrigierte ich ihn.
Mr. Silver nickte. »Und Asmodis ist die Hölle, wie sich herausgestellt hat. Ohne ihn kann die Hölle nicht existieren – und er hat bereits seinen letzten Atemzug getan. Loxagon ist verschollen. Er versuchte die Hölle noch irgendwie zu retten, den Zerfall zu verhindern, aber wie es scheint, kämpften er und alle, die es mit ihm versuchen, auf verlorenem Posten. Weißt du, was das für uns bedeutet? Wenn es die Hölle nicht mehr gibt, gibt es für uns nichts mehr zu tun, dann bist du arbeitslos. Wer hätte für möglich gehalten, daß der Kampf jemals zu Ende sein würde? Aber genau das zeichnet sich ab.«
Keine Hölle mehr! Das war auch für mich unvorstellbar. Ich hatte – wie wahrscheinlich jeder – angenommen, daß es die Hölle, diesen Kontrast des Guten, immer geben würde. Ich hatte geglaubt, unser Kampf würde niemals enden und nie zu gewinnen sein. Meiner Ansicht nach mußten wir schon zufrieden sein, wenn sich Gut und Böse die Waage hielten und es uns gelang, zu verhindern, daß das Böse Übergewicht bekam.
Plötzlich waren alle diese Theorien entkräftet. Keine Kämpfe mehr bis zum Allerletzten gegen die Ausgeburten der Hölle.
War das nicht unser aller geheimster Traum gewesen?
»Ich kann es nicht glauben«, sagte ich, total aus dem Gleichgewicht gebracht. »Das wäre einfach zu schön, um wahr zu sein.«
»Die nahe Zukunft wird zeigen, was dran ist«, sagte Mr. Silver.
Ich nickte. »Sollte Asmodis auch tot und die Hölle im Sterben begriffen sein, arbeitslos bin ich vorläufig noch nicht, denn es leben noch fünf Werwölfe in dieser Stadt, und um die sollten wir uns kümmern.«
»Du mußt dich jetzt ablenken«, sagte Mr. Silver zu Metal, »deshalb wirst du dich mit mir um eine dieser Bestien kümmern.«
Metal war damit einverstanden. Er wollte nicht untätig sein und grübeln. Was geschehen war, war nicht mehr zu ändern.
Das Leben ging weiter.
Cardia hätte nicht gewollt, daß er sich nach ihrem Tod gehenließ und zu nichts mehr nütze war. Er war froh, gebraucht zu werden.
Das half ihm am raschesten über die Krise.
Boram stand im Hintergrund und sagte nichts. Die Dampfgestalt hüllte sich, wie zumeist, in Schweigen. Eine Unterhaltung mit dem Nessel-Vampir gestaltete sich stets sehr schwierig. Man konnte mit Boram reden, das schon, aber man konnte sich mit ihm nicht unterhalten, weil er von sich aus nichts dazu beitrug. Seine Antworten waren immer nur knapp und präzise, und wenn einem mal die Fragen ausgingen, herrschte Funkstille.
Mr. Silver und Metal verließen das Haus, ohne zu frühstücken. Bis Roxane und Vicky den Tisch gedeckt hatten, setzte ich mich in »meinen« Sessel und las die Morgenzeitung.
Das Telefon läutete. Ich meldete mich.
Am andern Ende war Sharon Tennant. Sie hatte das Schlimmste hinter sich, das merkte ich ihrer Stimme an. Ich erkundigte mich trotzdem nach ihrem Befinden.
»Sagen wir, es geht mir den Umständen entsprechend«, sagte die Frau.
»Kann ich irgend etwas für Sie tun, Mrs. Tennant?«
»Mir ist der Name dieses Mannes doch noch eingefallen, Mr. Ballard.«
»Ist ja großartig. Lassen Sie hören.«
»Tyron Gunn. Mit einer Adresse kann ich Ihnen aber leider nicht dienen.«
»Das macht nichts«, erwiderte ich. »Haben Sie vielen Dank, Mrs. Tennant.« Ich drückte auf die Gabel und wählte Tucker Peckinpahs Geheimnummer.
Nach einem kurzen Gespräch vereinbarten wir ein Treffen um elf Uhr in seinem Haus.
***
Jetzt schwänzelt Roxane um mich herum, als hätte sie mir etwas ebenso Wichtiges wie Vicky zu sagen, dachte ich, als ich die weiße Hexe durchs Zimmer schleichen sah. Wie eine Raubkatze bewegte sie sich, kurz vor dem Angriff.
»Du möchtest mir doch irgend etwas mitteilen, oder?« fragte ich.
»Ja«, antwortete Roxane. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug und schob die schlanken Hände in die Taschen.
»Das heißt nein…«
»Was nun? Ja oder nein? Du solltest dich entscheiden.«
Roxane senkte den Blick. »Eigentlich sollte ich… Es geht mich im Grunde genommen nichts an… Andererseits ist Vicky meine Freundin und…«
»Ich habe dich noch nie so gekonnt um den heißen Brei reden hören. Willst du nicht endlich zur Sache kommen? Was hast du auf dem Herzen?«
»Ich nichts.«
»Vicky?« fragte ich.
»Ja, aber sie hat es nicht auf dem Herzen, sondern… darunter… irgendwie.«
»Roxane, du treibst mich noch die Wände hoch!« sagte ich seufzend.
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