2010 - Morkheros Prophet
Lemmu auf seinem Rücken erschwerte ihm den Abstieg zusätzlich, aber er dachte nicht daran, sich seiner Beute zu entledigen. Irgendwie hoffte er doch noch, zu Artgenossen zu gelangen, die über Kravven verfügten, um ihnen seine Beute im Austausch gegen Nährsud zu überlassen. Das war seine einzige Überlebenschance.
So kalt die Nächte gewesen war, so heiß brannte Yuna-Cum mit steigender Bahn. Und nirgendwo ein Fleckchen Schatten, an dem er hätte rasten und sich vor den sengenden Sonnenstrahlen hätte schützen können.
Plötzlich fiel ein Schatten auf ihn, hatte sich aber sofort wieder aufgelöst. Kellmi blickte zum Himmel auf der Suche nach der vermeintlichen Wolke. Aber der Himmel war völlig blank, ohne den geringsten Nebelschleier. Und dann erblickte er den Verursacher des Schattens.
Es war ein großer Vogel, gut mit einer Flügelspannweite von drei Kravvenlängen, der über ihm seine Kreise zog. Er besaß einen langen, breiten Schnabel, in dem Reihen langer, spitzer Zähne blitzten, Sein Schwanz war ein langer Stachel, den er im Flug immer wieder krümmte.
Kellmi sah sich vergeblich nach einer Felsspalte oder einer Höhle um, in die er vor dem fliegenden Untier hätte Schutz suchen können. Er bezweifelte nicht, daß dieser Vogel so gefährlich war, wie er aussah.
Auf Yuna gab es überhaupt keine Tiere, die harmlos waren. Aber es gab auch keine Tiere, die sich leichtfertig auf Beute, stürzten, die ihnen gleichwertig oder übermächtig erschien. Und daran lag es vermutlich, daß der Vogel noch abwägte, ob und wie er angreifen sollte.
Kellmi hoffte, daß er sich etwas Zeit ließ, bis er in das unter ihm liegende, weniger steile Gelände gelangte. Im Augenblick mußte er sich noch abstützen und hatte keinen Rüssel frei, um die Pfeilschleuder oder den Speer einsetzen zu können.
Da fiel wieder der Schatten des Riesenvogels auf ihn. Ein rauher Schrei gellte auf und schwoll zu erschreckender Lautstärke an, als der Angreifer im Sturzflug auf ihn herabgeschossen kam.
Kellmi klammerte sich mit beiden Rüsseln fest, so erwartete er den Angriff. Es folgte ein heftiger Stoß, der ihn fast von den Beinen riß, gleich darauf verspürte er einen starken Zug, als der Vogel mit seinen Krallen am Lemmu zerrte. Der Wind der heftigen Flügelschläge umfächelte ihn eine ganze Weile, das Kräftemessen wogte hin und her, während dessen der Vogel auf seinen lemmubeladenen Rücken mit dem Schnabel einhieb und gleichzeitig mit den Krallen daran zerrte, Dann entschied Kellmi das Kräftemessen für sich, der Vogel ließ von ihm ab. Aber er würde wiederkommen, weil er dachte, daß er seine Beute ordentlich verletzt hatte und nun zum finalen tödlichen Angriff übergehen konnte. „Dummer Vogel!" rief Kellmi ihm zu. „Du weißt nicht, daß du auf den toten Lemmu einhackst!"
Kellmi nutzte die Angriffspause, um das ebenere Gelände zu erreichen. Nun hatte er seine Rüssel frei, um die Pfeilschleuder zu gebrauchen. Er legte einen Pf eil ein, spannte die Schleuder und hielt, am Körper des erlegten Lemmu vorbei, nach dem Riesenvogel Ausschau.
Und da kam er auch schon mit angelegten Schwingen auf ihn herabgestürzt. Kellmi schoß seinen Pfeil ab, hatte aber keine Gelegenheit mehr, einen zweiten einzulegen, als der Angreifer ihn auch schon erreicht hatte. Wütender als zuvor hieb er mit dem Schnabel auf den Lemmu ein und zerrte mit den Krallen daran.
Kellmi wurde auf diese Weise hin- und hergebeutelt. Er ergriff die Lanze und stieß damit blind über sich. Einige Male stieß er auf Widerstand und war sicher, den Vogel getroffen zu haben. Doch das machte diesen nur noch gefährlicher, und Kellmi vermutete, daß in seinem Leib bereits der Pfeil steckte, Der Vogel machte in seiner weidwunden, Angriffswut unglaubliche Kräfte frei. Einmal hob er Kellmi mitsamt seiner schweren Beute hoch und flog einige Körperlängen weit mit ihm. Aber zum Glück für Kellmi verließen ihn rasch wieder die Kräfte, so daß der Jäger nicht sehr tief fiel, als der Vogel ihn wieder losließ.
Der Jäger konnte es nicht glauben, als er den Vogel danach davonfliegen sah. Er hatte den Kampf unbeschadet überstanden - und gewonnen.
Er setzte seinen Abstieg mit dem nun arg mitgenommenen Lemmu auf dem Rücken fort.
Bald erreichte er eine Region, in der erste karge Pflanzen sprossen. Kurz darauf vernahm er das Summen von Insekten über sich, die sich am Kadaver des Lemmus gütlich taten, Kellmi schleppte sich unermüdlich weiter. Er gönnte sich
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